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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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einigen flachen Mulden zu finden war, hatte der Sturm vom Meer dorthin getrieben.
    Mera stand an dem unwirtlichsten Ort, den sie je gesehen hatte, und doch fühlte sie eine Anspannung in sich, die sie zittern ließ. Vorsichtig ging sie ein paar Schritte weiter und wartete dann, bis Girdhan und die anderen zu ihr aufschlossen. Für einen Augenblick überlegte sie, ob es nicht besser wäre, wenn einer beim Boot zurückblieb. Aber dann sagte sie sich, dass es auf dieser einsamen Insel inmitten der See der magischen Stürme wohl kaum jemanden gab, der ihnen das Boot wegnehmen wollte. Außerdem gehorchte es Hekendialondilans Willen und würde sich nicht so einfach entführen lassen.
    »Was ist denn das dort?« Kip deutete auf eine Felsgruppe, die alles andere überragte und auf die Entfernung wie das Skelett eines riesigen Tieres aussah.
    Dieser Eindruck verlor sich etwas, als sie sich der Stelle näherten, und sie nahmen an, nur vom Wind geformte Felsen zu sehen.
    Doch als Mera die Formation erreichte, zuckte sie zurück. Vor ihr lag tatsächlich ein Skelett, aber es war so riesig, dass es zu keinem Lebewesen auf dieser Welt gehören konnte. Hilflos blickte sie Hekendialondilan an, doch die Runi wirkte nicht weniger verwirrt als sie.
    »Kann es ein Tier aus dem Meer sein? Gibt es da so große Lebewesen?«, fragte Girdhan Kip.
    Der Fischerjunge wollte schon erzählen, dass es in der See noch ganz andere Ungeheuer gebe, besann sich dann aber und blieb bei der Wahrheit. »Also, von so einem so großen Tier habe ich nochnie gehört. Die Fischer erzählen zwar von sagenhaften Seemonstern, aber das sind nur Geschichten. Keiner, den ich kenne, hat jemals so ein Biest gesehen.«
    Girdhan begann das Skelett genauer zu untersuchen und schauderte sichtlich. »Allein der Kopf misst mehr als eine Manneslänge; insgesamt dürfte dieses Vieh um die dreißig Doppelschritte lang sein. Aber die Hälfte davon geht für Hals und Schwanz drauf.«
    »In den Überlieferungen unseres Volkes ist von gewaltigen Wesen die Rede. Man nennt sie die großen Würmer oder auch Lin«, meldete sich Careela zu Wort.
    Kip musterte die Gebeine und schüttelte den Kopf. »Wie ein Wurm sieht das Ding nicht gerade aus, eher wie eine Art riesige Eidechse mit dickem Leib, langen Beinen, Krallenfüßen und ziemlich kräftigem Schädel.«
    Nun riss es Hekendialondilan herum, die sich misstrauisch von den Knochen ferngehalten hatte. »Was sagst du da?« Sie wartete Kips Antwort nicht ab, sondern lief einmal um das Gerippe herum. Danach wirkte sie so niedergeschlagen, wie ihre Freunde sie noch nicht erlebt hatten.
    »Das ist entsetzlich! Oh großer Meandir, warum hast du das zugelassen?«
    Kip musterte sie verdattert. »Was ist denn jetzt los, Heke?«
    »Begreift ihr denn nicht? Das Wesen, das hier liegt, muss ein Arghan gewesen sein, eines jener sagenumwobenen Wesen, die Feuer speien konnten. Die Flammen eines Arghan sind heiß genug, den Feuerthron schmelzen zu lassen wie Eis in der Sommerhitze. Wahrscheinlich ist das hier sogar derjenige, der im Großen Krieg auf der Seite meiner Ahnen gekämpft und ihnen den Sieg ermöglicht hat. Ihm ist es gelungen, den schwarzen Magier Wassuram zu töten, aber er wurde so stark verletzt, dass er den Feuerthron nicht mehr zerstören konnte. Es hieß, der Arghan habe sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um Heilung zu finden. Stattdessen ist er hier gestorben!«
    Die Tränen liefen Hekendialondilan in breiten Bächen über die Wangen. Auch die anderen waren erschüttert. Zwar kannten ihre eigenen Sagen keine Feuer speienden Wesen, doch sie wussten, dass die Runier das alte Wissen besser bewahrten als die Menschen.
    »Damit sitzen wir wohl ziemlich in der ... äh ... Fischsuppe«, stöhnte Kip.
    Hekendialondilan setzte sich auf den felsigen Boden und starrte trübsinnig vor sich hin. »Der Arghan war meine einzige Hoffnung – und auch die meiner Mutter und ihrer Freunde –, den Herrn des Feuerthrons aufhalten zu können, denn sein Feuer löst Zauber auf und hätte die Macht unseres Feindes zerstört. Aufgrund der Prophezeiung war ich mir ganz sicher, dass Mera ihn finden würde.«
    »Gefunden hat sie ihn ja! Allerdings bezweifle ich, dass er noch mal aufstehen wird, um den Kaiser von Gurrland zu grillen!«, sagte Kip und versetzte dem mächtigen Schädel einen Fußtritt.
    In dem Augenblick klappte das bislang geschlossene Maul auf, der Unterkiefer klatschte zu Boden, und ein rollendes Geräusch wie von einer großen Murmel

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