Der Feuerthron
Begnüge dich damit, es sanft zu steuern, und behalte deine Gedanken für dich. Das gilt übrigens für alle!«
Mera fand den Rat gut, aber sie wusste nicht, wie sie ihre Gedanken so im Zaum halten konnte, dass Sianderilneh, die Meisterin im Aufspüren, es nicht bemerkte. Reodhendhor erklärte ihr in wenigen Sätzen, wie sie sich am besten abschirmen konnte, und klammerte sich dann an ihren Geist, bis dieser beinah wie eine Fortsetzung seines eigenen wirkte. Er spürte das Zerren und Reißen der magischen Winde, die jenseits der Illusion um diese Inseln strichen, und bekam Todesangst. Als er jedoch merkte, dass er Mera damit ansteckte, begnügte er sich damit, seine Sinne so weit abzuschotten, dass er die Außenwelt nur mehr wie ein fernes Echo wahrnahm. Die Verbindung mit Mera hielt er jedoch aufrecht, so dass diese wie erstarrt im Boot saß und auf keine Fragen ihrer Freunde mehr Antwort gab.
»Immer wenn wir sie brauchen, ist sie weggetreten«, schimpfte Kip.
»Sie schützt Reodhendhor vor den Zauberwinden«, wies Hekendialondilan ihn zurecht. Ihr Blick war dabei starr nach vorne gerichtet. Die Kerninsel lag bereits hinter ihnen, und sie hatten auch schon den inneren Ring der Riffe und Klippen passiert. Die Macht der Illusion wurde nun schwächer, und in das Bild eines sanft fließenden Flusses mischten sich schroffe, vom Wasser überspülte Felsen, die nur darauf zu warten schienen, das Boot kentern zu lassen. Dabei lagen Sianderilnehs Schiffe noch ein ganzes Stück weiter vorne.
»Achtung!« Careela schrie entsetzt auf, als sie geradewegs auf eine scharfkantige Klippe zurasten. Für Augenblicke fühlten sie einen harten Schlag, dann lag die gefährliche Stelle hinter ihnen, und während sie sich selbst fassungslos ansahen, beschwerte sich das Boot. »Das hat wehgetan!«
»Bist du noch in Ordnung?«, wollte Hekendialondilan wissen.
»Na ja, halbwegs! Ein Leck habe ich noch nicht«, kam es griesgrämig zurück. Das Boot setzte hinzu, dass es für kindliche Lustfahrten gebaut worden sei und nicht für solche Verrücktheiten, zu denen diese Menschen seine Herrin verführten.
Kip war der Schrecken in alle Glieder gefahren, und er starrte Hekendialondilan fassungslos an. »Was war das eben?«
»Hier existieren zwei verschiedene Wirklichkeiten nebeneinander, und im Moment hängen wir irgendwo zwischen beiden fest. Wir sehen sowohl den Fluss, wie er früher einmal war, aber auch die Klippen, die jetzt seine Stelle einnehmen. Zum Glück sind diese wegen des Zaubers ebenfalls nicht wirklich vorhanden, sondern nur eine Illusion. Aus diesem Grund konnten wir eben durch diese Felsnadel hindurchfahren.«
Girdhans Erklärungsversuch prallte an Kip ab. »Pah! Klippe ist Klippe!«
»Vorsicht, da ist die nächste«, warnte Careela.
Hekendialondilan wollte das Boot noch herumziehen, schaffte es aber nicht mehr ganz. Sie prallten erneut gegen einen Felsen, und diesmal war der Aufprall stärker als vorhin. Auch fuhren sie nicht mehr durch das Gestein hindurch, sondern rutschten irgendwie darüber.
»Langsam wird es gefährlich!« Kips Ausspruch reizte die anderen trotz der schwierigen Situation zum Lachen.
»Merkst du das auch schon?«, spottete Careela, die mit Argo zusammen vorne am Bug kauerte.
Kip wollte darauf antworten, doch Girdhans leiser Ruf hielt ihn davon ab.
»Seid still! Ich fühle Sianderilnehs Anwesenheit!« Er bückte sich, als wolle er sich hinter der Bordwand verstecken, und spähte über deren Rand hinaus. Das Schiff der Jägerin lag etwa zwei Pfeilschusslängen vom Fluss entfernt im Windschatten einer bogenförmigen Schäre, so als wolle es sich verstecken.
Sianderilneh spürte, dass sich hier Dinge abspielten, die sich ihr nicht ganz erschlossen, und lief erregt zwischen Heck und Bug ihres Schiffes hin und her. Als sie ihre magischen Fühler ausstreckte, spürte sie die Reste uralter Magie. Doch als sie diese verschieden farbigen Ballungen genauer untersuchen wollte, insbesondere jene, die seltsam vertrautes Weiß ausströmte, legte einer ihrer Begleiter seine Hand auf ihren Arm, um sich besser verständlich zu machen.
»Verzeiht, Herrin. Es zieht ein neuer magischer Sturm auf, und er scheint noch heftiger zu werden als die letzten. Wenn wir hierbleiben, geraten wir in Gefahr, zu kentern oder gegen die Klippen geschleudert zu werden. Wir haben bereits ein Schiff verloren!«
»Sperr deine Gedanken ein und störe mich nicht! Hier geschieht etwas, das ich erkunden muss!« Sianderilneh verweigerte
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