Der Feuerthron
irgendetwas Magisches an Bord, das mir nicht gefällt. Lasst uns lieber rasch von hier verschwinden.« Mera wandte den Kopf ab, denn für Augenblicke hatte sie das Gefühl gehabt, jemand würde nach ihren Gedanken greifen.
»Mera hat recht! Komm, Argo, drüben ist nichts mehr, mit dem du fertig werden musst!« Heke wollte das Wesen, in das Argo sich verwandelt hatte, anlocken, doch da sprang es von selbst an Bord und ringelte sich mit klagenden Lauten um Careela, die noch immer bewusstlos am Boden lag. Aus einer Platzwunde auf ihrer Stirn floss Blut und färbte das kristallene Weiß des Bootskörpers an der Stelle rot.
Hekendialondilan stieß Mera an. »Du bist doch eine Heilerin. Vielleicht kannst du ihr helfen.«
Argo hob seinen Kopf, der auf einem langen, sehr beweglichen Hals saß. »Ja! Bitte tu das. Careela ist lieb!«
Zwar war er der Einzige an Bord, der so freundliche Worte für Careela fand, aber die anderen interessierte es mehr, dass er auch in dieser tierhaften Gestalt klar sprechen konnte.
Als Kip trotzdem ein paar ätzende Worte über die Prinzessin verlor, musste Hekendialondilan Argos mit vielen spitzen Zähnen bewehrtes Maul zuhalten, damit er nicht nach dem Jungen schnappte. Währenddessen kniete Mera neben Careela nieder und legte ihre Hände um deren Kopf. Sie spürte, wie ihre Heilerfähigkeiten erwachten und ein dünner, aber steter blauer Strom an Magie in die Prinzessin hineinfloss. Die Platzwunde auf ihrer Stirn hörte auf zu bluten und schloss sich langsam, bis nur noch eine feine, kaum mehr sichtbare Linie über der rechten Augenbraue übrig blieb. Auch die Schrammen, die Careela sich sonst noch zugezogen hatte, waren verschwunden.
»Mera ist auch lieb«, erklärte Argo und rieb seinen schuppigen Kopf an ihrem rechten Oberarm. Mera nutzte die Chance und drehte seine Augen so, dass sie hineinsehen konnte. »Wie hast du das eben gemacht?«
»Was gemacht?«, fragte Argo.
»Ich meine, diese Verwandlung, deine Feuerfunken, eigentlich alles. Wer oder was bist du überhaupt?«
Argo klapperte mit den Lidern, so dass deren feine Schuppenrasselten. »Es ist einfach so gekommen. Ich habe keine Ahnung, warum.«
»Er weiß es wirklich nicht!« Hekendialondilan glaubte Wahrheit und Lüge auseinanderhalten zu können, und für ihr Gefühl hatte Argo nicht gelogen. Der Kleine schien eher selbst erschrocken zu sein und seine Verwandlung kaum fassen zu können.
»Wahrscheinlich liegt es in seiner Natur, das zu tun. Ich habe zwar noch nie davon gehört, doch in alten Liedern heißt es, es gebe noch viele Inseln jenseits des Horizonts. Da mögen Wesen wie Argo leben.«
»Gut gedacht, und doch ist es falsch!« Reodhendhor hatte sich wieder aus dem Bootskörper gelöst und stand mit einer Miene vor den Kindern, die sie nicht zu deuten wussten. Er weinte Geistertränen, aber nicht aus Trauer. Seine Blicke streichelten Argo, und zuletzt beugte er sich über ihn und küsste seine Stirn. Dann wandte er sich mit leuchtenden Augen an die anderen.
»Wir haben ein Wunder erlebt! Dem großen Talien und allen anderen Göttern sei Dank. Jetzt gibt es wieder Hoffnung für uns.«
»Ich wäre dir dankbar, wenn du so reden könntest, dass auch wir etwas verstehen!« Kip klang knurrig. Wie es aussah, war nun auch dieser kleine Knirps etwas Besonderes, während er selbst immer nur der einfache Fischerjunge bleiben würde.
Reodhendhor lächelte entschuldigend. »Verzeih mir, Kapitän Kip. Doch die Freude hat mich übermannt. Das hier« – er zeigte auf Argo – »ist ein Arghan. Zugegeben ein noch sehr junger Arghan, aber er wird einmal sehr groß und mächtig werden. Wenn er erwachsen ist, wird ihm auch der schwarze Kristall des Feuerthrons nichts mehr anhaben können. Das allein wäre schon ein Wunder.«
»Ist es ein Kind deines Arghanfreundes?«, fragte Mera.
Der Geisterruni schüttelte den Kopf. »Nein! Mein Freund war ein männlicher Arghan und konnte daher keine Kinder gebären. In alten Liedern heißt es jedoch, dass einem Arghan die Fähigkeit gegeben sei, seine Seele bei seinem Tod in einen Kristall reinerMagie zu betten und nach einer bestimmten Zeit wiedergeboren zu werden. Ich habe tausend Jahre lang die Absichten meines Freundes missverstanden und glaubte, er wäre zu jener Insel gefahren, um dort Heilung zu finden. Dabei war es für ihn der Ort, an dem seine Seele genug Magie in sich aufnehmen konnte, um den Kreislauf des Lebens neu beginnen zu können. Er wusste, dass Wassurams magisches Gift zu
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