Der Feuerthron
Magie ballte sich in Argo, drehte sich in sich selbst, und für einige Augenblicke befürchtete sie, der Junge würde eine magische Explosion erzeugen, die sie alle vom Meer fegen würde. Doch dann konnte sie eine in allen Farben schimmernde Substanz in ihm erkennen, die wild pulsierte und Magie ansog. Das Ding dehnte sich aus, so als bewege sich etwas darin, wie ein Küken, das schlüpfen wollte. Dann ging alles so schnell, dass Mera erst später in den Bildern ihrer Erinnerung verfolgen konnte, was geschehen war.
Der Junge begann von innen heraus zu leuchten. Gleichzeitig streckten sich seine Glieder und veränderten sich. Aus seinem Kopf wurde ein keilförmiger, spitz zulaufender Schädel mit kleinen,scharfen Zähnen und großen Augen. Das Hemdchen, das Careela ihm genäht hatte, glitt wie Wasser von seinem Leib, den auf einmal schillernde Schuppen bedeckten. Seine Arme formten sich zu Vorderbeinen mit langen Zehen und scharfen Krallen, seine Beine verwandelten sich ebenso, und aus seinem Hintern wuchs ein Schuppenschwanz, der mehr als ein Drittel der Körperlänge einnahm.
Insgesamt war Argo in dieser Gestalt etwas länger als ein Mann hoch, wirkte aber dennoch zierlich. Die Gurrländer, die seiner Verwandlung zunächst wie erstarrt zugesehen hatten, hoben nun ihre Waffen, um dieses Wesen zu erschlagen. Der vierfüßige Argo war jedoch schneller als sie. Er wich ihren Hieben aus, krallte sich mit seinen scharfen Klauen an einem von ihnen fest und schlug seine Zähne in das gepanzerte Bein eines Kriegers. Er merkte jedoch rasch, dass er die Eisenschienen nicht durchbeißen konnte, und ließ den Gurrländer los. Flink wie ein Wiesel wich er zurück und riss sein Maul auf.
»Damit machst du uns keine Angst«, rief einer der Gurrländer höhnisch. Doch ehe er ausholen und erneut zuschlagen konnte, sprühten Funken aus Argos Maul.
Einen Augenblick später brüllten die Gurrländer, als würden sie aufgespießt, warfen ihre Waffen weg und sprangen so schnell an Bord ihres eigenen Schiffes zurück, dass sie einige ihrer Kameraden, die ebenfalls an Bord des kleinen Runischiffes steigen wollten, einfach niederstießen.
»Was soll das?«, brüllte der Kapitän sie an.
Er bekam eine sehr unerwartete Antwort. Argo war flink wie eine Katze auf das Gurrlandschiff geklettert und übergoss die Besatzung mit einem Funkenregen. Einige der Rüstungen bekamen Brandflecken, andere sogar Löcher. Die sechzehn Männer, die sich auf dem Patrouillenschiff befanden, kreischten vor Schmerz und Angst, und keiner dachte daran, sich gegen den kleinen Quälgeist zur Wehr zu setzen. Sie warfen die Schwerter und Äxte von sich, rissen sich die Rüstungen vom Leib und sprangen ins Wasser.
Das Ganze ging so schnell, dass Mera und ihre Freunde es kaum mitbekamen. Während die anderen nur fassungslos dastanden, bemerkte Mera, dass die Magie, die die Gurrländer wie giftiger, schwarzer Dampf eingehüllt hatte, durch Argos Funken aufgelöst worden war. Mit seinem eher kraftlos wirkenden Feuer hatte der Kleine die unerschütterlichen Kriegsknechte des Kaisers auf dem Feuerthron in ängstliche und durch den Schmerz von Panik erfüllte Leute verwandelt, die nicht wussten, wie sie auf dieses Schiff geraten waren und was sie hier tun sollten.
Erst langsam wurde Mera klar, dass der Kaiser sich die Treue seiner Männer durch beeinflussende Magie sicherte und Argo diese auf seine seltsame Art beseitigen konnte. Mit einem Mal taten ihr die Männer leid. »Ich möchte nicht, dass sie ertrinken!«
»Wegen mir könnten sie absaufen wie Ratten!« Kip, dem Girdhan eben die Fesseln zerschnitten hatte, verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein Gesicht, als hätte er die Gurrländer ganz allein in die Flucht geschlagen.
Unterdessen schätzte Hekendialondilan die Entfernung zur nächstgelegenen kleinen Insel ab. »Die Gurrländer sind zäh. Sie werden es bis zu diesem Eiland dort schaffen.«
»Hoffentlich«, entfuhr es Mera.
Kip sah seine Freunde fragend an. »Was machen wir mit ihrem Schiff? Vielleicht sollten wir hinübersteigen und damit weiterfahren. Es fällt sicher weniger auf als Hekes Kahn.«
Girdhan schüttelte den Kopf. »Darauf würde ich nicht wetten. Das Ding ist ein Kriegsschiff und soll sicher seine vorgeschriebene Route fahren. Verlässt es diese, werden wahrscheinlich andere Schiffe kommen, um nachzusehen, was da los ist. Außerdem ist es zu groß für uns. Zu fünft können wir den Kahn gar nicht fahren.«
»Außerdem ist
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