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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Kip wollte einen Witz machen, fing sich aber eine verärgerte Geste seines Freundes ein.
    »Idiot!«, setzte Girdhan hinzu, blickte nach vorne und spürte auf einmal, wie das Blut schneller durch seine Adern floss. Diese Insel, die er jetzt in der Nacht nur wegen des weißen Schaums der gegen die Küste brandenden Wellen erkennen konnte, war seine wahre Heimat. Hier hatten seine Mutter und sein Vater gelebt und wohl auch eine lange Reihe von Vorfahren. Obwohl er selbst nie hier gewesen war, spürte er eine Verbundenheit mit diesem Land. Es war, als sprächen die Felsen zu ihm, die das Ufer säumten, doch was er hörte, gefiel ihm nicht. Er empfing Bilder von Sklaverei und Elend, aber auch von Aufruhr und Tod.
    Mit einem Mal zeigte er nach Südosten. »Dort hinten, in diesen Bergen müssten meine Leute zu finden sein!«
    »Welche Berge?«, fragte Kip.
    Jetzt erst bemerkte Girdhan, dass er die Berge nur als Schatten gesehen hatte, die ihm von den Küstenfelsen übermittelt worden waren.
    »Es ist egal, ob wir sie sehen. Die Richtung stimmt!« Er bat Hekendialondilan, dorthin zu steuern.
    Gleichzeitig aber erhob sich Mera und trat unruhig von einem Bein auf das andere. »Irgendetwas geht hier vor!«
    »Ich hasse es, wenn du so etwas sagst!« Kip hangelte sich den Mast hoch, aus dem sofort fingerlange Kletterhilfen wuchsen, und sah sich um. Gleich darauf stieß er einen jammernden Laut aus.
    Aus dem Dunkel der Nacht löste sich ein Umriss, der wegen seiner Schwärze nur gegen das Licht des blauen Mondes erkennbar war und rasch näher kam. Zunächst nahm Kip an, eine der Schwarzen Galeeren vor sich zu sehen. Doch dafür war das Ding zu klein, für ein ardhunisches Schiff aber wirkte es zu dunkel, und seine Segel besaßen keine Dreiecksform. Zudem strahlte das Schiff etwas aus, das ihm kalte Schauer über den Rücken jagte.
    Gegen dieses Ding ist Widerstand zwecklos, fuhr es ihm durch den Kopf.
    Leise fluchend stieg er vom Mast und blieb mit hängenden Schultern vor Mera stehen. »Das war es wohl! Wie es aussieht, sind wir einem gurrländischen Patrouillenboot voll vor den Bug gesegelt.«
    »Was sagst du?« Hekendialondilan ergriff Meras Bogen und erteilte ihm den Befehl, die Sehne zu spannen. Ihre scharfen Augen entdeckten nun ebenfalls das Schiff. Während sie einen Pfeil aus dem Köcher nahm, schätzte sie die Zahl der Krieger an Bord und kam auf etwa zehn bis zwanzig Mann, alles Gurrländer und gut gerüstet. Sie würde sehr gut zielen müssen und mit Sicherheit nur ein paar von ihnen ausschalten können, bevor die Angreifer ihr Boot geentert hatten. Und die restlichen Krieger würden sicher genügen, um ihnen allen den Garaus zu machen. Die Angst vor dem Tod, der für sie viel zu früh kommen würde, machte sie mit einem Mal unfähig, weiter an Widerstand oder Flucht zu denken.
    Mera nahm ihr die Waffe aus der Hand, entspannte sie und legte sie vor sich auf den Boden, denn sie wusste ebenfalls, dass sie gegen die Gurrländer nicht die geringste Chance hatten. »Deine Winde, Reodhendhor, haben dich schlecht informiert. Es gibt keine Hoffnung mehr. Wir waren vermessen, hierherzukommen und so zu tun, als könnten wir das Schicksal unserer Länder wenden.«
    »Oh gütige Linirias! Der arme Junge. Er ist ja noch so klein.« Careela drückte Argo so fest an sich, dass dieser protestierend schrie.
    Die Gurrländer hörten es und lachten. Einer, der am Bug stand, zeigte auf Hekendialondilans Schiff. »Was haben wir denn da? Leute, die sich aus Klein-Gurrland fortschleichen wollen? Das werden wir ihnen heimzahlen, nicht wahr, Kameraden!«
    »Beidrehen, Gesindel! Sonst bohren wir euch in die See!«, brüllte ein anderer. Eine Feuerkugel stieg hoch, überquerte das Runiboot und tauchte es für Augenblicke in helles Licht. Als die Gurrländer die schlanken Körper sahen, begriffen sie, dass sie es nicht mit Flüchtlingen aus ihrem Machtbereich zu tun hatten.
    »Was haben wir denn da? Spitzohren? Wackelohren? Die haben hier nichts verloren! Eure Insel ist weit im Norden. Wer hierherkommt, muss gefangen werden. Ergebt euch, Gesindel, sonst ...« Der Gurrländer sprach die Drohung nicht aus, machte aber die Geste des Halsabschneidens.
    Mera, Hekendialondilan und die anderen sahen Reodhendhor verzweifelt an. »Was sollen wir jetzt tun?«
    »Ich kann nichts machen. Ich bin nur ein Geist.« Um nicht entdeckt zu werden, verschmolz der Runi mit dem Boot und hoffte, dass den Gurrländern die gelbe Stelle im weißen Rumpf nicht auffallen

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