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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Schwingungen unserer Mutter nur als Kind gespürt, weiß aber, dass sie fast genauso strahlte wie ich – und du tust es auch.«
    »Ich weiß nichts über meine Mutter. Sie starb bei meiner Geburt. Andere Leute haben mich aufgezogen; gute Leute! Es waren Meras Mutter und ihre Großmutter. Mein Vater hat meine Mutter nach Ilynrah gebracht und ist wieder abgereist. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht.« Girdhan ließ sich seinen Unmut deutlich anmerken. Er wusste, dass die Zeiten hart gewesen waren, aber dennoch schmerzte es ihn, allein in einem fremden Land zurückgelassen worden zu sein.
    »Hier hat niemand verstanden, weshalb Mutter ins ferne Ilyndhir gebracht werden wollte. Sie hat Vater dazu gezwungen, sie dorthin zu schaffen. Später ist er hierher zurückgekehrt, aber nicht lange geblieben, denn er hat den Oberbefehl über unsere Leute übernommen, die nach Gelonda geflohen waren.« Girdhala schluckte, und ihr Bruder begriff, dass sie ähnlich wie er von fremden Leuten aufgezogen worden war. Im Gegensatz zu ihm besaß sie jedoch Erinnerungen an Vater und Mutter, und um diese beneidete er sie. Dann aber schüttelte er den Kopf. Gewiss war sie nie so liebevoll behandelt worden wie er, und sie hatte stets in der Gefahr geschwebt, dem Feind in die Hände zu fallen.
    »Ich bin froh, dass es ausgesprochen ist«, sagte er aufatmend. »Was?«
    »Dass wir Schwester und Bruder sind. Eine innere Stimme hat es mir in dem Augenblick verraten, als ich dich auf uns zukommensah, aber ich wollte es für mich behalten. Nun weiß ich, dass es besser ist, zu dieser Tatsache zu stehen.«
    »Du könntest hierbleiben und mit uns gegen die Gurrländer kämpfen«, schlug Girdhala vor.
    Girdhan schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich lasse Mera nicht im Stich.«
    »Sie ist eine starke, aber auch noch unausgebildete Hexe. Sie kann den Herrn des Feuerthrons nicht besiegen!«
    »Allein vielleicht nicht, aber sie hat Freunde!«, sagte Girdhan mit aufleuchtenden Augen.
    Seine Schwester zuckte mit den Schultern. »Tut, was ihr nicht lassen könnt. Wenn ihr gefangen werdet und unter der Folter unser Versteck verratet, wird uns der Tod nur ein paar Jahre früher ereilen.«
    Sie klang sehr bitter, und Girdhan spürte, dass sie dieses Leben in den Kristallhöhlen der Runi, in denen es keine Sonne und keinen Regen gab, gründlich satt hatte.
    »Sicherheit ist nicht alles im Leben. Man braucht Freiheit!«, sagte er.
    Girdhala stieß einen zustimmenden Laut aus. »Das ist richtig! Und am liebsten würde ich mit euch kommen und dem Kaiser ins Gesicht spucken. Aber meine Leute brauchen mich. Salintah und ich sind die Einzigen, die verhindern können, dass die Gurrköpfe unser Versteck ausräuchern. Würde ich mit dir gehen und meiner Freundin etwas zustoßen, wären all diese Leute hier hilflos eingesperrt. Du darfst mich nicht für feige halten!«
    »Das tue ich gewiss nicht. Dein Leben ist hart, und du musst es so führen, wie es dir richtig erscheint. Ich werde weiterziehen und in den Hallen von Gurrland mein Schicksal suchen.«
    »Ich bin gespannt, was du dort finden wirst, kleiner Bruder. Komm, umarme mich! Für einen Augenblick wollen wir vergessen, dass uns viel zu wenig Zeit gelassen wurde, um uns richtig kennenzulernen.« Girdhala liefen die Tränen über die Wangen, undGirdhan begann ebenfalls zu weinen. Seine Schwester schloss ihn in die Arme und hielt ihn für kurze Zeit fest.
    Dann ließ sie ihn los und lachte mit nassen Augen. »So, Bruder, nun wollen wir sehen, was das Schicksal für uns bereithält. Möge Giringar mit dir sein – und auch mit mir!«
    »Mögen alle Göttinnen und Götter uns beschützen«, antwortete Girdhan leise und hoffte, dass die sechs erhabenen Gottheiten die Menschen nicht vergessen hatten.

 
     
     
     
     

1
    Als ein gurrländischer Soldat sich näherte, nahm d as Gesicht der Sklavin von einem Augenblick zum nächsten einen geradezu einfältigen Ausdruck an. Mit gesenktem Kopf hob sie die Kiste auf und wuchtete sie auf eine Schubkarre. Mera, die in einer anderen Kiste kauerte und den Vorgang durch ein offenes Astloch verfolgte, begann still zu beten. In dem Kasten, den die Sklavin eben hinausfuhr, befanden sich Careela und Argo. Sie hatten die beiden nicht getrennt, aus Angst, der Kleine könnte sich sonst durch Geschrei oder Strampeln verraten. Die anderen Mitglieder der Gruppe waren einzeln in Kisten gesteckt worden, deren Astlöcher gerade genug Luft hereinließen, dass sie nicht erstickten.
    Auf

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