Der Feuerthron
körperlich und geistig Versklavte vegetierten. Alles, was das Leben ausmachte, gutes Essen, Freunde, Lieder, Kleider und andere schöne Dinge – und natürlich auch die Liebe –, all das würde es nicht mehr geben oder niemanden mehr interessieren. Mera schauderte bei dem Gedanken, und sie versuchte sich abzulenken, indem sie herauszufinden versuchte, wie weit sie schon gekommen waren.
Schon bald segelten sie in die große Meeresbucht im Norden Gurrlands hinein, und dort trieb ein magischer Wind sie flussaufwärts in den Hafen, der ein Stück von der Meeresküste entfernt lag. Das Schiff legte an einem festen Steg an und wurde gut vertäut.
Mera erwartete, dass die Kisten nun auf ein kleineres Flussboot umgeladen würden. Doch der Kapitän ging allein von Bord und kehrte mit einem Hafenbeamten zurück. Der warf einen flüchtigen Blick auf die Ladung, stellte eine Bescheinigung aus und verschwand dann wieder.
Das Schiff warf die Leinen los und segelte, von einer magischen Brise angetrieben, den Fluss hinauf. Der Wind wechselte mit jeder Flussschleife und schlief niemals ein. Wie es aussah, beherrschte der Kaiser hier auf seiner Hauptinsel selbst die Natur. Mera fühlte, wie die Furcht vor der ungeheuren Machtfülle dieses Mannes ihr das Herz zusammenpresste. Gegen solch ein Wesen konnten sie und ihre Freunde einfach nichts ausrichten. Es wäre das Beste, wenn sie sich im nächsten Flusshafen den Behörden stellten und die Strafe auf sich nahmen, die sie für ihr unbotmäßiges Verhalten zu erwarten hatten.
Es dauerte eine Weile, bis Mera durchschaute, dass die Beeinflussungsmagie offensichtlich stärker geworden war und kräftigan ihrem Geist zerrte. Sie bekam Angst, ihre Freunde könnten diesem Zauber erliegen, und streckte ganz vorsichtig ihre geistigen Fühler aus. Als sie Girdhan spürte, sprach sie ihn trotz des an Bord lauernden Artefaktes an. »Wie geht es dir?«
»Sehr bescheiden. Die Zauber sind hier sehr stark. Mich packt immer wieder das Gefühl, ich müsste mit den Fäusten gegen die Kiste schlagen, um die Matrosen auf mich aufmerksam zu machen. Aber ich halte schon durch.«
»Ilyna sei Dank! Du bist so tapfer!« Mera zog sich zurück, um ihn nicht mit ihren Zweifeln zu belasten. Wie mochte es erst sein, wenn sie das Zentrum der gurrländischen Macht erreichten? War der Zauber dort so stark, dass ihre Freunde und sie ihm nicht mehr widerstehen konnten?
Im gleichen Augenblick nahm sie wahr, wie Girdhan einen leichten, weißmagischen Schlag erhielt, und empfing von Hekendialondilan ein beinahe übermütiges Lächeln. »Girdhan braucht von Zeit zu Zeit eine kleine Aufmunterung, damit er die Beeinflussungsmagie übersteht!«
Der Junge grummelte, doch Mera merkte, dass es ihm besser ging. Der leichte Schmerz, den die Runimagie bei ihm auslöste, stachelte seine magische Abwehr an, die Beeinflussung aus seinem Kopf zu vertreiben.
»Weißt du, wie es Careela, Argo und Kip geht?«, fragte sie Hekendialondilan.
»Kip schläft, wie eigentlich nur ein Salasa schlafen kann, nämlich sehr lang und sehr tief. Careela schläft ebenfalls sehr viel, aber ihr Kopf ist völlig frei. Argo saugt die Beeinflussungsmagie auf, bevor diese sie erreicht.«
»Er ist ein sehr gefräßiger kleiner Junge!« Nun musste Mera grinsen. Nach dem kurzen, magischen Gespräch ging es ihr wieder besser.
3
Der Kaiser blickte auf seine engsten Vertrauten hera b und war zufriedener denn je, seit er den Feuerthron wieder zusammengesetzt und sich dessen Kraft zu eigen gemacht hatte. Zwar entzogen sich noch drei Menscheninseln im Norden des Archipels seiner Herrschaft, doch seine Truppen waren dabei, dies zu ändern. Nur noch wenige Tage, dann waren alle Menschen seine Sklaven, angefangen von den Ardhun bis hoch zu den Wardaniern. Dann konnte er sich seinem eigentlichen Ziel zuwenden, die Runi zu vernichten.
Dort hatte er vor Kurzem einen kleinen Rückschlag hinnehmen müssen, doch der fiel nun nicht mehr ins Gewicht. Die Runi hatten zu lange gezögert, und seine Macht war nun zu groß geworden, als dass er die Spitzohren noch fürchten müsste.
Mit einer Geste, die seinen Triumph zum Ausdruck brachte, wandte er sich an den Großadmiral seiner Flotte. »Ist alles bereit?«
Der Mann warf sich vor dem Thron zu Boden. »Jawohl, Euer Kaiserliche Glorifizienz! Wir werden die Runiflotte vom Meer fegen!«
»Die paar Boote kann man keine Flotte nennen!«
Die Stimme des Kaisers drückte Spott, aber auch Verwunderung aus. Anstatt alle ihre
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