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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sie sich beeilen, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten.
    Während Mera sich fragte, auf welche Weise es ihnen gelingen könnte, unauffällig in die Thronhalle des Kaisers zu gelangen, bemerkte sie, wie ihre Kiste angehoben und auf den Schubkarren geladen wurde. Für einen Augenblick erschien das Gesicht der Sklavin im Blickfeld des Astlochs, und sie zwinkerte Mera zu.
    »Fahrt mit dem Segen Giringars!« Die Frau sprach, ohne die Lippen zu bewegen, eine Kunst, die sie lange geübt haben musste.
    Mera wagte nicht, Antwort zu geben, aus Angst, jemand anderes könnte es bemerken. Sie kratzte nur leise am Holz der Kiste und wartete auf das, was nun geschehen würde.
2
    Das Schiff, das die Fracht nach Gurrland bringen sollte, war nicht viel größer als die Schaluppen der Kaufleute aus Ilyndhir. Die Besatzung bestand aus einem Dutzend Girdaniern und Ardhuniern, die freiwillig in die Dienste des Kaisers getreten waren, einem Kapitän, einem Steuermann und sechs Soldaten aus Gurrland, die offensichtlich die Matrosen bewachten. Wie es aussah, traute der Herr des Feuerthrons den Überläufern nicht.
    Mera konnte das Treiben auf dem Schiff gut beobachten, denn die Sklavin hatte die Kiste, in der sie steckte, so hingestellt, dass sie das gesamte Deck durch ihr Astloch überblicken konnte. Zwar hätte sie auch gerne in die Richtung geschaut, in die sie fuhren, doch auf dieser Seite wiesen die Bretter der Kiste keine Lücke auf, und sie wagte nicht, mit ihrem Messer ein Loch hineinzuschneiden, obwohl das Gefühl, eine Fahrt ins Ungewisse anzutreten, ihr beinahe die Luft abschnürte.
    Während das Schiff den Hafen verließ, hoffte sie, dass ihre Freunde mit der beengten Situation zurechtkamen. Liebend gerne hätte sie geistigen Kontakt zu Girdhan und Hekendialondilan aufgenommen, aber sie fürchtete, dass die dazu notwendige Magie von den Artefakten an Bord aufgefangen werden würde. Einer dieser magischen Kristalle befand sich ganz in ihrer Nähe und schien nur darauf zu lauern, unvorsichtige Gedanken aufzuspüren.
    Mera brauchte lange, bis sie sich beruhigt hatte und nicht mehr jeden Augenblick erwartete, von den Gurrländern oder deren Hilfsmatrosen entdeckt zu werden. Zum Glück kümmerten die Kerle sich nicht um ihre Fracht, sondern segelten geradewegs nach Süden. Ihr Ziel war der große Hafen in der Nordbucht, in die einer der gurrländischen Flüsse sein Wasser ergoss. Von dort aus würde es stromaufwärts bis zur Hauptstadt Gurrdhirdon gehen, die im Schatten hoher Berge lag.
    Die Fahrt würde mindestens vier Tage dauern, und Mera fragte sich, wie sie die Zeit überstehen sollte. Mit einem Mal zwickte ihre Blase, obwohl Girdhala ihr wie auch ihren menschlichen Freunden ein Mittel gegeben hatte, das dieses Bedürfnis für die nächsten Tage hätte verhindern sollen. Als Mera in sich hineinhorchte, wurde ihr klar, dass ihre eigenen Heilkräfte die Wirkung des Pulvers aufgehoben hatten. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als mit denselben Kräften zu versuchen, ein Malheur abzuwenden.
    Nicht zum ersten Mal bedauerte sie, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Allerdings wusste sie inzwischen, dass es keinen anderen Weg gab, denn Girdhalas Spionin hatte ihr berichtet, Ilyndhir sei mittlerweile von den Gurrländern erobert worden und deren Vorhut habe Kurs auf Wardania genommen.
    Mera dachte an ihre Mutter und Hannez, die nun entweder Sklaven der Gurrländer waren – oder tot. Bei der Vorstellung schüttelte es sie, denn sie vermisste ihre Mutter sehr – und sogar Hannez. Der Fischer war ihr sympathisch gewesen, und sie schämte sich für ihre Eifersucht. Gleichzeitig packte sie eine fürchterliche Wut auf den Kaiser von Gurrland, und sie konnte es kaum erwarten, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
    Bis dahin musste sie sich aber noch einige Zeit gedulden, und das fiel ihr schwer, weil die Fahrt ausgesprochen langweilig war. Es gab keine Zwischenfälle, und die See war so ruhig, dass das Schiff kaum schwankte. Unter der strengen Aufsicht ihrer gurrländischen Offiziere taten die Matrosen ihre Pflicht, ohne aufzubegehren oderhinter dem Rücken ihrer Herren freche Bemerkungen zu machen. Mera fand es widerwärtig, dass der Herr von Gurrland sogar seine Verbündeten betrog, indem er selbst die, die zu ihm hielten, geistig fesselte. Nun quälte sie die Vorstellung, was geschehen würde, wenn sie und ihre Freunde versagten. Der Kaiser würde den gesamten Archipel in eine Ödnis verwandeln, in dem nur noch

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