Der Feuerthron
diesem Abschnitt ihrer Reise waren sie nicht einmal mehr Passagiere, sondern Frachtgut, das von Girdania nach Gurrland und weiter zur Hauptstadt gebracht werden sollte. Das hörte sich recht einfach an, aber Mera fürchtete die vielen Unwägbarkeiten. Das begann mit der Sklavin, die sie beobachtete. Girdhala hatte behauptet, die Frau sei eine ausgezeichnete Selbstabschirmerin, die auch jene Spürartefakte überlisten konnte, mit denen die Männer des Kaisers Jagd auf magisch Begabte machten. Doch hier, an der Südostspitze Girdanias, von der aus man jenseits des Meeres die Berggipfel des Nordkaps von Gurrland erkennen konnte, lag eine dunstige, schwarze Wolke über dem Land, deren Ausstrahlung tief in die Köpfe der Menschen hineinreichte und sie zu willenlosen Handlangern des Herrn auf dem Feuerthron machte.
Auch Mera spürte die Auswirkungen der Beeinflussungsmagieund musste sich geistig gegen sie stemmen, um ihr nicht zu verfallen. Hekendialondilan und Girdhan waren ebenfalls in der Lage, sich gegen die magischen Befehle zu wehren, und Careela, die selbst keine Chance hatte, wurde von Argo geschützt. Der Kleine war gegen diese Art von Magie völlig immun, zog sie sogar an, wandelte sie um und nutzte sie für sich selbst, um den seltsamen Arghankern in seinem Innern zu füttern.
Der wehrloseste von ihnen war Kip. Daher hatten sie ihn in einen magischen Schlaf versetzt, in dem er die viertägige Reise ins Herz des gurrländischen Reiches unbeschadet überstehen konnte. Auch Fleckchen, die sich in Meras Kiste befand, lag im Zauberschlaf, während Timpo sich an sie kuschelte und mit seiner Zunge an ihrem Ohr leckte.
Nachdem, was die Sklavin, die zu Girdhalas Spionen gehörte, behauptet hatte, würden die Kisten bis in die Hallen des Kaisers gebracht werden. Die Güter, die sie hätten enthalten sollen, lagen in irgendeinem Schuppen und würden beim nächsten Mal mitgenommen werden.
Gerade kam die Sklavin zurück und lud die Kiste mit Girdhan auf. Ihre Miene wirkte so stupid, dass Mera sich nicht vorstellen konnte, dass sie noch Herrin ihres Willens war. Der gurrländische Soldat, der das Einladen überwachte, sah der Frau zu, rührte aber keinen Finger, obwohl sie sich mit der schweren Kiste abmühte. Stattdessen klopfte er gegen seinen Brustpanzer und fuhr sie an, schneller zu machen.
»Sehr wohl, hochedler Herr«, murmelte sie und packte die Griffe des Schubkarrens. Sie hatte keine zwei Schritte zurückgelegt, als der Soldat herumfuhr und ihr einen Peitschenhieb versetzte. Sie zuckte zusammen, doch es kam kein Laut über ihre Lippen. So als sei nichts gewesen, setzte sie ihren Weg fort und schob die Karre die Planke hoch, die auf das Schiff führte.
Als der Hieb erfolgte, presste Mera die Hände vor den Mund, um ihre Empörung nicht laut hinauszuschreien. Dann begriff siedie Absicht, die hinter dieser Grausamkeit steckte. Der Soldat hatte die Frau nicht aus Gemeinheit geschlagen, sondern um zu prüfen, ob sie tatsächlich unter dem Bann der Beeinflussungsmagie stand. Wie es aussah, wussten die Gurrländer, dass es Spione unter den Sklaven gab, und versuchten, ihrer habhaft zu werden. Mera konnte die Selbstbeherrschung der Sklavin nur bewundern. Der Hieb hatte wehgetan, und dennoch war es ihr gelungen, ihn ohne stärkere Regung hinzunehmen.
Der Soldat schien überzeugt zu sein, dass mit dieser Frau alles in Ordnung war, denn er ging weiter und wiederholte das Spiel mit anderen Girdaniern, die hier im Hafengebiet arbeiteten.
Girdhalas Spionin erschien nach kurzer Zeit wieder und hob die Kiste mit Hekendialondilan auf ihre Karre. Die weiße Runi war ein Schwachpunkt in ihrem Plan. Zwar verstand sie sich abzuschirmen, aber ein gutes Farbspürgerät würde ihre weiße Ausstrahlung dennoch bemerken. Die Sklavin hatte deshalb eine Kiste genommen, in der bereits Ware aus Teren transportiert worden war. Doch Mera bezweifelte, dass das die Leute des Kaisers täuschen konnte.
Als Nächster war Kip an der Reihe. Der würde erst aus seinem magischen Schlaf erwachen, wenn jemand das Schlüsselwort gedanklich sendete oder aussprach. Mera hoffte, dass nicht einer der Gurrländer zufällig das Wort in Kips Nähe fallen ließ, denn dann würde Kip sich noch in seiner Kiste in einen ergebenen Sklaven des Kaisers verwandeln. Drüben auf Gurrland würden sie gut auf ihn aufpassen müssen, denn wie Girdhala ihnen berichtet hatte, war der Zeitraum, in dem ein normaler Mensch seinen freien Willen verlor, sehr kurz. Also mussten
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