Der Feuerthron
dieser Handlung haben wir den Menschen des Archipels geschadet und weitaus mehr Schande über uns gebracht als die, die wir zu verbergen trachteten. Wenn ihr nicht dagegensprecht, werde ich die Hexe und den Magier wecken.«
»Dagegen hat niemand etwas einzuwenden, mit Ausnahme des einen auf Gurrland«, antwortete Reodhilan mit einem bitteren Auflachen.
Die Königin schloss die Augen und streckte ihre Arme aus. Weiße Strahlen schossen aus ihren Händen und hüllten die beiden Versteinerten ein. Die anderen sahen, wie sich die Starre auf den Gesichtern der Menschen verlor. Als Erste öffnete Merala die Augen und blickte sich verwundert um.
»Das ist ein seltsamer Traum. Jetzt bin ich darin sogar bis Runia gekommen!«
»Es ist kein Traum«, antwortete die Königin. »Wir bedauern sehr, was geschehen ist, doch auch wir sind gegen das Wirken des Bösen zuweilen machtlos.«
Nun wachte auch Torrix auf. Im Gegensatz zu Merala blieb er jedoch stumm. Zwei junge Runifrauen reichten ihm und Meras Großmutter je einen Becher und baten sie, den Inhalt zu trinken. »Es wird euch helfen, die Krämpfe zu überwinden, die eine Entsteinerung mit sich bringt.«
Die beiden schluckten gehorsam die nach Blüten duftende Flüssigkeit und horchten in sich hinein.
Der blaue Magier seufzte und sah sich so vorsichtig um, als sei er in ein Nest von menschenfressenden Ungeheuern geraten. »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Eben haben wir den ›Blauen Fisch‹ verlassen und die Barke betreten, die uns über den Fluss bringen sollte – und jetzt befinden wir uns in einem Runiwald!«
»Wir sind entführt und versteinert worden!« Merala beäugte die Runi, die um sie herumstanden, ebenfalls misstrauisch. In den Träumen, an die sie sich erinnerte, waren diese Wesen nicht gerade freundlich zu ihr gewesen. Und zu Mera?, fragte sie sich, denn sie spürte das Band, das sie mit Timpo verband, und das führte schnurstracks nach Süden. Seltsame Gestalten geisterten durch ihre Gedanken, und sie begriff, dass einiges von dem, was sie für Träume gehalten hatte, die Erlebnisse ihrer Enkelin sein mussten.
»Ich spüre Mera! Sie scheint unterwegs nach Gurrland zu sein. Weiß der Tenelin, wie das Mädel auf die Idee kommt.«
Reodhilan stieß Hekerenandil an. »Die alte Hexe ist stark. Sogarwährend ihrer Versteinerung hat sie noch einiges mitbekommen!«
»Das hat das blaue Salasa bewirkt. Sie ist mit ihm verbunden und hat durch das Tierchen Bilder empfangen. Wenn mir ein paar andere helfen, werde ich durch diese Frau vielleicht erkennen können, wo meine Tochter sich befindet. Zumindest hoffe ich das.«
Hekerenandil verließ die Ratssitzung mit hastigen Schritten, während die Königin Merala und Torrix erklärte, dass sie auf Betreiben des Herrn auf dem Feuerthron entführt und in ein magisches Gefängnis gesteckt worden waren. Gerade als sie sich mit beklommener Stimme dafür entschuldigte, kehrte Hekerenandil mit einem weißen Pelzknäuel auf der Schulter zurück.
Anscheinend hatte sie das Tierchen aus dem Schlaf gerissen, denn es gähnte ausgiebig und sah aus, als wolle es die Augen wieder schließen. Zitternd vor Erregung, drückte Hekerenandil das Salasa Merala in die Arme.
»Kannst du mir helfen? Ich will eine Verbindung zu meiner Tochter aufbauen. Sie hat deine Enkelin und deren Freunde von hier weggebracht, und nun schweben die Kinder in großer Gefahr.«
Merala nahm das Tierchen auf den Schoß und begann es zu streicheln. Ihre Augen leuchteten in einem sanften Blau, und sie murmelte leise vor sich hin, wie es die Gewohnheit alter Frauen ist.
»Warum lässt Hekerenandil sich von dieser Menschenfrau helfen und nicht von uns, die wir doch um so viel stärker sind?«, fragte eine noch recht junge Runi.
Reodhilan drehte sich zu ihr um und blickte tadelnd auf sie herab. »Die blaue Hexe ist eine weitaus bessere Tierbeeinflusserin und Spürerin als du. In ihren großen Zeiten war sie eine der besten Hexen der Menschen, und mir wäre wohler, sie stünde im Vollbesitz ihrer Kräfte an unserer Seite. Aber jetzt schirme deine Gedanken ab! Du störst ihre Konzentration.«
Die junge Runi senkte beschämt den Kopf und wich etliche Schritte zurück. Um Reodhilans Lippen legte sich ein harter Zug.Das Mädchen war zu jung gewesen, um am Großen Krieg teilzunehmen, und hatte daher nie gelernt, wie zäh und opferbereit Menschen sein konnten. Auch jetzt gab die alte Hexe trotz ihrer körperlichen Schwäche all ihre Kraft, die sie aufbringen
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