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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ihnen zubilligen wollten.
    Neugierig geworden lenkte Hekendialondilan ihr Boot um das andere Schiff herum. Von der Besatzung war niemand zu sehen. Kühn geworden fuhr sie so nahe an den Kahn heran, dass sie über die Bordwand blicken konnte. Auch jetzt konnte sie niemanden entdecken. Mit einem Satz sprang sie hinüber und untersuchte die Kajüte, während ihr Boot dem hölzernen Kahn folgte wie ein Kalb der Mutter.
    Das Schiff der Menschen war leer. Sie konnte jedoch noch die magischen Spuren derer auffangen, die sich an Bord aufgehalten hatten. Zwei von den Leuten, hatten keine magischen Fähigkeiten und ließen sich nur mit Mühe als blau und violett identifizieren. Die schwarze Präsenz war um einiges stärker, wurde aber noch von einem Blau übertroffen, das zu einer noch recht jungen, weiblichen Person gehört haben musste. Deren magische Farbe erinnerte sie an die alte Hexe, die Sianderilnehs Leute nach Runia gebracht hatten. Die Schwingungen waren einander so ähnlich, dass es sich bei dem Mädchen um die Tochter oder Enkelin der Entführten handeln musste.
    In dem Augenblick war Hekendialondilan sich sicher, dass das Auftauchen dieses Schiffes kein Zufall gewesen sein konnte. Die Menschen hatten mitbekommen, wer die Hexe und den Magierverschleppt hatte, und diese Gruppe war den Entführern bis fast an die Küste Runias gefolgt.
    Hekendialondilan kicherte, als sie sich vorstellte, wie Sianderilneh reagieren würde, wenn sie davon erfuhr. Dann aber begriff sie, was geschehen sein musste, und zuckte zusammen, als hätte sie einen Schlag erhalten. Das Schiff fuhr unter Sianderilnehs Zauber. Also hatte diese sich der Besatzung bemächtigt und würde sie nun wahrscheinlich gerade als Gefangene nach Runia bringen. Die Leute taten ihr leid, denn Königin Menanderah würde diese Menschen ebenso in ein magisches Gefängnis sperren wie die beiden anderen. Auch wenn sie dieses Vorgehen, das einem Mord gleichkam, abscheulich fand, konnten weder sie noch ihre Mutter etwas daran ändern.
    Mit diesem trüben Gedanken verließ die junge Runierin das Menschenboot und kehrte auf ihr eigenes zurück. Ihre Neugier war jedoch erwacht, und daher richtete sie den Bug auf die kleine Insel. Mühelos fand sie die Stelle, an der die Fremden angelandet waren. Auch dort hing noch ein wenig von Sianderilnehs Magie in der Luft. Die Reste würden jedoch bald verwehen, und daher beeilte Hekendialondilan sich, den Spuren der Eindringlinge zu folgen. Am leichtesten tat sie sich bei den Fußstapfen des magisch begabten Mädchens, die sich blau aus dem hier herrschenden Weiß abhoben. Sie stellte fest, dass die Fremden sich an dem Ganzjahresbeerenbusch gesättigt hatten, und pflückte selbst ein paar Beeren, die sie im Gehen aß. Von dort führten die blauen Spuren zu einer Quelle, dann in wildem Zickzack durch den Wald und auf den höchsten Hügel hinauf.
    Von hier aus hatte das Mädchen wahrscheinlich nach Runia hinübergespäht. Auch Hekendialondilan blickte in Richtung ihrer Heimat und entdeckte das Boot, mit dem Sianderilneh und deren Begleiter dorthin zurückkehrten. Ihre Augen waren scharf, und sie vermochte neben der Cousine der Königin fünf weitere Leute zu erkennen, aber keine Gefangenen. Das irritierte sie. Was hatteSianderilneh mit den Eindringlingen gemacht? Eigentlich hätte Sianderilneh die Leute der Königin und dem Großen Rat vorführen müssen, auch wenn deren ungerechtes Urteil von vornherein feststand.
    Wollte sie der Königin und den anderen Runi etwa die Information, dass Fremde auf einer der vorgelagerten Inseln gelandet waren, vorenthalten? Das gehörte sich einfach nicht, fand Hekendialondilan. Wenn auch nicht alle ihres Volkes der gleichen Meinung waren wie die Königin und deren Berater, so hatten sie doch ein Recht darauf, zu erfahren, was hier geschah.
    Bislang hatte Hekendialondilan sich nicht für Politik interessiert. Sie war noch viel zu jung, um im Großen Rat sprechen zu dürfen, und bislang der Meinung gewesen, alles, was dort beschlossen wurde, würde dem Wohl ihres Volkes dienen. Nun aber nagten Zweifel an ihr.
    Sie trat ein paar Schritte zurück, so dass sie von Sianderilneh und deren Begleitern nicht gesehen werden konnte, sollten diese zufällig zurückblicken, und überlegte, was sie tun sollte. Im Grunde gehörte es sich auch nicht, den Taten anderer Runi nachzuspüren. Aber sie war von einer Neugier erfüllt, die die älteren Mitglieder ihres Volkes längst verloren hatten. Außerdem, entschuldigte

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