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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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so stark, dass es Mera blendete. Vor ihr lag Runia, die sagenumwobene Heimat jenes geheimnisvollen Volkes, das vor tausend Jahren das erste gurrländische Imperium niedergeworfen hatte. Diese Wesen erlaubten keinem Menschen, ihre See zu befahren oder gar diese Insel zu betreten. Mera fragte sich, ob ihr Auftauchen einfach nur jene Schutzzauber in Gang gesetzt hatte, die die kleine Insel gegen Eindringlinge verteidigen sollten, oder ob es hier etwas gab, das die Runier ganz besonders schützen wollten?
    War der zornig gewordene Wald nur eine Reaktion auf ihr Eindringen, wie der Zauber, der auch die See von Fremden frei hielt? Dann, so hoffte Mera, würde es ihr mit etwas Glück vielleicht gelingen, ihre Freunde zu finden und zu befreien. Sollte aber jemand absichtlich ihrer Gruppe aufgelauert haben ... Sie beendete diesen Gedankengang nicht, um sich nicht selbst zu entmutigen. Auf alle Fälle machte es ihr die geringe Größe der Insel leichter, mit ihrer Suche zu beginnen. Allerdings würde sie sich etwas einfallen lassen müssen, um die Pfeilbüsche davon abzuhalten, sie in ein Nadelkissen zu verwandeln.
    Während Mera Pläne schmiedete, besserte sich ihre Laune, und als auf einmal ihr Rücken juckte, bewegte sie unwillkürlich die Muskeln. Etwas fiel zu Boden, und als sie sich danach bückte, war es der Dorn, der sie getroffen hatte. Nun löste sich auch das Geschoss aus ihrem Arm und fiel heraus, ohne dass mehr als ein paar Tropfen Blut aus der Wunde traten.
    Ihre Großmutter war eine starke Heilerin gewesen, und sie hatte diese Gabe offensichtlich von ihr geerbt. Zufrieden drehte Mera sich um und wollte den Hügel hinabsteigen. Da tauchten wie aus dem Nichts sechs weiße Gestalten in weiten Gewändern vor ihr auf und streckten ihr die Arme entgegen. Seile aus reiner Magie schnellten auf sie zu, umschlangen sie und rissen sie zu Boden. Der Schmerz war kaum auszuhalten, und Mera schrie so laut, dass es von den Hügeln widerhallte. Gleichzeitig spürte sie, wie ein Teil ihrer selbst erstarrte, und dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    Als Hände nach ihr griffen, kam sie wieder zu sich und spürte, wie sie aufgehoben wurde. Sie öffnete vorsichtig die Augenlider und musterte ihre Feinde durch einen schmalen Spalt. Ihre Entführer waren keine grässlichen Gurrländer, sondern hohe, schmale Wesen mit langen, weißen Haaren und Augen, deren Iris silbern schimmerte. Ihre Haut und die Gewänder, die sie trugen, waren ebenfalls von einem makellosen Weiß.
    Während die sechs Runier sie den Hügel hinabschleppten, stellte Mera fest, dass diese Leute trotz ihrer Größe und ihrer überschlanken Figur recht menschlich wirkten. Natürlich würde niemand sie für Menschen halten, aber sie waren den Bewohnern des übrigen Inselreichs ähnlicher, als die Sagen es hatten vermuten lassen. Ihre Kleidung bestand aus weit geschnittenen Tuniken, die bei einigen die Arme frei ließen. Zwei trugen Umhänge, die sich im Wind bauschten, und zwei andere seltsame Kappen, die um die Stirn eng anlagen und oben in einer Spitze ausliefen. Ob diese Kopfbedeckungen den Rang ihrer Träger kennzeichneten oder den Geschmack ihres Trägers zum Ausdruck brachten, konnte Mera nicht herausfinden.
    Seltsamerweise redeten die Runier miteinander, ohne die Münder zu bewegen. Auch drangen keine Worte an Meras Ohren. Dennoch konnte sie verstehen, was die sechs miteinander sprachen. Es dauerte eine Weile, bis Mera begriff, dass diese Wesen einfach ihre Gedanken austauschten und sie irgendwie mithören konnte.
    »Es war ziemlich leicht, die kleine Hexe zu fangen. Zunächstsah es ja aus, als könnte sie uns mehr Widerstand entgegensetzen«, dachte eben einer.
    »Nach den Maßstäben der Kurzlebigen ist sie noch ein Kind. Mich wundert mehr, wie es ihr und ihren Begleitern überhaupt gelungen ist, so tief in unsere Gewässer einzudringen. Beinahe hätten sie die Küsten Runias erreicht«, antwortete eines der Wesen, das Mera für eine Frau hielt.
    »Das Mädchen hier ist der Spur des Salasas gefolgt, das es bei sich hat, und deswegen konnte der Schirm es nicht verwirren. Das Tier dürfte dem Magier oder der Hexe gehören, die wir entführt haben.« Der Mann, der dies dachte, klang arrogant, wurde aber sofort von der Frau zurechtgewiesen.
    »Sei still! An Geheimnisse dieser Art solltest du nicht einmal denken. Nicht jeder unseres Volkes teilt unsere Haltung, und einige werden uns auch jetzt wieder kritisieren.«
    »Diese Leute besitzen nicht die Macht, uns daran zu

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