Der Feuerthron
hindern, zu tun, was getan werden muss. Wir stehen hier im Namen der Königin, und deren Weisung ist, uns nicht in die Probleme der Menschen hineinziehen zu lassen.«
»Auch wenn der größte Teil unseres Volkes samt der Königin auf unserer Seite steht, sollten wir einige Dinge tief in unserem Innern verbergen. Das jugendliche Alter dieser Gefangenen könnte Mitleid erwecken und etliche fordern lassen, sie freizugeben.«
»Nicht diese Hexe hier und auch nicht den Gurrimbastard!« Der Runier war so erregt, dass er diese Worte nicht nur dachte, sondern auch aussprach.
Die Frau, die recht hochrangig zu sein schien, obwohl sie keine Mütze, sondern einen Umhang trug, herrschte den Sprecher an. »Schweig endlich! Hier vernehmen die Blätter sogar das Raunen im Wind und geben es an die Runi weiter, die ihnen zuhören – und das sind nicht immer unsere Freunde. Natürlich geben wir diese Gefangenen nicht frei. Aus diesem Grund werden wir sie auch nicht nach Runia bringen.«
»Wo willst du sie dann hinschaffen?«, fragte ein anderer Mann verwundert.
»Es gibt unter den Hügeln eine Höhle, in die wir sie sperren können. Wenn wir den Zauber stark genug weben, wird niemand auf sie aufmerksam werden.«
Nach diesen Worten herrschte gedankliche Stille, und Mera sank in einen Zustand, der einem von Albträumen zerrissenen Schlaf glich. Sie wurde ihrer Umgebung erst wieder gewahr, als ihre Entführer am Fuße eines Hügels anhielten und sie dort auf den Boden legten.
Die Anführerin der Gruppe blickte sich kurz um, so als wollte sie sichergehen, dass niemand ihr Tun beobachtete, und streckte dann beide Arme mit einer heftigen Bewegung nach vorn.
Ein gedanklicher Befehl blitzte auf, allerdings nur als Symbol, das Mera zwar empfing, aber nicht verstand. Daraufhin öffnete sich die Flanke des Hügels und gab eine Höhlung frei, deren hinteres Ende nicht zu erkennen war. Zwei der Runier packten sie und schleiften sie tief in den Hügel hinein.
Die Anführerin folgte ihnen, ohne ihre Gefangene aus den Augen zu lassen. »Ich werde einen starken Zauber weben müssen, damit die kleine Hexe ihn nicht durchbrechen kann«, dachte sie mehr für sich als für die anderen.
Ihre beiden Begleiter legten Mera ab und drehten sich zu ihr um. »Was machen wir mit dem Boot der Menschen? Wenn jemand es entdeckt, wird es Fragen geben, und wir müssen den anderen die Gefangenen zeigen. Wie du schon richtig sagtest, sind die Eindringlinge so jung, dass sie auch das Mitleid jener erregen könnten, die auf unserer Seite stehen.«
»Ich werde das Boot mit einem Zauber versehen, der es aus unseren Gewässern steuern und schließlich versenken wird«, antwortete die Anführerin kühl und lähmte Timpo, der sich noch immer in Meras Schulter verkrallt hatte, mit einem einzigen weißen Blitz aus ihren silbernen Augen.
Kurz darauf kamen die anderen drei Runier herein. Jeder von ihnen trug einen von Meras Begleitern über der Schulter, und einer hatte sich zusätzlich noch Fleckchen unter den freien Arm geklemmt. Meras Freunde waren bewusstlos und so schlaff wie Segeltuch bei Windstille. Die Runier legten sie neben Mera, sammelten sich um ihre Anführerin und legten ihr die Hände auf die Schultern. Sie selbst hob die Arme und sprach mit melodischer Stimme einige Verse, die sich in Meras Gedanken zu Bildern formten.
»Fleisch werde zu Stein auf ewig
Schlafen sollt ihr für alle Zeit
Niemals erwachen noch denken
Eins werden mit dem Fels, der euch umgibt!«
Noch während die Runierin dies gleichzeitig dachte und sprach, spürte Mera, wie der Boden unter ihr weich wurde und sie und ihre Freunde langsam darin einsanken. Gleichzeitig kroch etwas wie zäher Brei in ihre Glieder und die Gedanken und ließ sie erstarren.
»Nein! Nicht!«, wollte sie noch schreien, da senkte sich ein weißer Schleier über sie, und sie spürte, wie ihre Kraft erlosch.
Die Anführerin der Runier blickte auf die vier Kinder, die im Fels versanken, als bestünde dieser aus weichem Wachs. Dann wandte sie sich mit zufriedener Miene um und kehrte zum Höhleneingang zurück. Ihre fünf Gefährten folgten ihr schweigend. Draußen sprachen die sechs noch einen Zauber, der den Hügel wieder verschloss.
»Es ist gut getan!« Die Gedankenstimme der Anführerin kämpfte die Zweifel nieder, die einige ihrer Begleiter quälten. Auf ihren Wink hin stellten sie sich im Kreis auf und fassten einander an den Händen. Ihre silbernen Augen glühten auf, und ihre Münder murmelten
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