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Der Finanzer

Titel: Der Finanzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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nicht entgangen; Zenzi trat näher und frug teilnahmsvoll, was denn dem Herrn
Oberaufseher fehle.
    »Nichts, nichts!« stammelte Anton und reichte ihr zitternd den Revisionsbogen zur Unterschrift.
    »Muß das sein?« lachte schelmisch das herrliche Geschöpf. »Wenn ich da nur nicht mein
Todesurteil unterschreibe?!«
    Anton empfand Herzklopfen beim Anblick des schönen Mädels, und der Revisionsbogen zitterte in seiner Hand. Mit
den Ziffern und der Unterschrift Zenzis wird dieses Papier eine flammende Anklage gegen Wüsteler sein; der Betrug, die
Steuerhinterziehung liegen offenkundig zutage.
    Zenzele kritzelte ihren Namen ein.
    Anton steht bleich neben ihr. Hat das Mädchen eine Ahnung von dem verübten Betrug oder nicht?
    Zenzi erklärte, nun wieder in den Garten und die Gäste bedienen zu müssen. Zum Abschied sagte sie:
»Adjes, Herr Lergetbohrer! Wie geht's dem lieben Flock? Bringen Sie ihn mir doch recht bald wieder!« Dann eilte
das Mädchen die Kellertreppe hinauf und wirbelte mit den Weinflaschen hinaus in den Garten.
    Heiß überlief es Anton. Wie süß und lieb haben diese wenigen Worte geklungen! Oder war es
Täuschung? Vor kurzem so schroff und abweisend, heute die Liebenswürdigkeit selbst und eine überaus
freundliche Einladung! Wer kann aus diesem Geschöpf klug werden!
    Nachdem Lergetbohrer Schlüssel und Leuchter und den Revisionsbogen abgegeben, schritt er schier taumelnd durch den
Flur ins Freie.
    Ein Glück nur, daß ihm jetzt nicht der Kommissär begegnet und Rapport verlangt. Anton möchte am
liebsten stöhnen. Wie im Traum trollt er in die Kaserne, um in der Einsamkeit seines Stübchens nach Ruhe zu ringen,
den rechten Entschluß für seine Amtshandlung zu erkämpfen. Und als er endlich müde die Äugen
schloß und in Schlaf fiel, da führten die Ziffern achtundsechzig und dreiundneunzig einen wirbelnden Tanz im
Traume auf.
     

Kap. 5
     
     
    In ihrem Kämmerlein um dieselbe Zeit blickte Zenzele andächtig zum Sternenzelt des nächtlichen Himmels
empor und seufzte dazu aus übervoller Brust. Weich war die Stimmung wie die Luft, die mild vom See hereinwehte in die
stille Stadt. Und die Gedanken waren lind, beseligend; sie flogen von den Sternen flink zur Erde herunter, hinein in ein von
der Phantasie traulich gedachtes Stübchen, wo der fesche Mann in grüner Uniform mutmaßlich weilt. Zenzele
denkt an Anton, und heiß quillt es auf in der Mädchenbrust. Ja, der Mann gefällt ihr, das ist der Mann, den
sie in heimlichen Stunden sich ersehnt, dem sie, die stolze, trutzige Dirn, angehören möchte. Wenn er so vor sie
hintreten und mit männlicher Festigkeit ihr Jawort verlangen würde, o, wie gern würde sie ihm an die starke
Brust fliegen, seinen Hals umklammern und das liebe Gesicht küssen. Wie das nur so gekommen ist? Sie war ihm doch nicht
so eigentlich gut, eher frostig, abstoßend. Dann wieder recht lieb zu ihm. Warum nur? Warum so wechselnd in der
Gesinnung, so launenhaft? »Bin ich so wetterwendisch?« frug sich Zenzele selbst. Sie hassen ihn alle, die
Gäste, die Wirte; er ist ja nur ein Finanzer, ein Oberaufseher, der mit einem Fuße ob seines gefahrvollen Dienstes
auf Patrouille in jeglicher Stunde im Grabe steht und mit dem anderen Fuße im Kriminal, so er seinen Dienst
vernachlässigt oder mit den Parteien unter einer Decke steckt. Ein widerwärtiger Beruf! Eines Finanzers Frau?
Früher hätte Zenzele schon bei dem leisesten Gedanken an dergleichen aufgelacht. Und heute klingt es gar nicht so
übel: »Frau Oberaufseher!« Und der Anton soll gar tüchtig sein, ein gescheiter Mann mit Aussichten,
bald Respizient oder gar Bezirksleiter zu werden. Davon war des öfteren unter den Gästen die Rede; der Neid, sagten
manche, müsse zugeben, daß in Bregenz ein so schlauer, diensteifriger Finanzer noch niemals gewesen ist. Der Mann
werde den Schlauesten noch auf die Schliche kommen und große Anerkennung finden, freilich auf Kosten der Ertappten.
Zenzele seufzt abermals; ein schrecklicher Gedanke zieht durch ihr Köpfchen. Wie, wenn der fesche Mann im Dienst gegen
den Vater auftreten müßte? Die Finanz ist immer Feind gewesen gegen jeden Wirt. Es wäre schrecklich, wenn es
auch in ihrem Hause zu einer Katastrophe kommen würde. Doch nein, hier kann nichts geschehen. Aber der Finanz ist nun
und nimmer zu trauen, sie findet immer etwas zum Einschreiten. Ach, wenn Anton, dieser schmucke, charakterfeste Mann, doch
beim Militär wäre! Es steht ihm aber auch

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