Der Finanzer
deren
schwere Folgen, wie vor jeder Berufsbeleidigung! Erschweren Sie mir mein Amt nicht, das ohnehin schwer genug ist!«
Wüsteler knurrte etwas Unverständliches und schritt in der Meinung, daß die Revision nun beendet sei,
durch den Keller. In der Schenke mußte der Wirt den Revisionsbogen zur Bestätigung der von Lergetbohrer
eingetragenen Befundziffern unterschreiben. Der Bogen verblieb sodann im Besitze des Wirtes.
Lergetbohrer entfernte sich hierauf. Der Wirt aber rief Seppl, den Schenkburschen, und hielt geheime Zwiesprache mit
demselben.
Anton war nun für einige Stunden dienstfrei und nahm, in seiner kleinen Behausung angekommen, Flock, den gelehrigen
Rattler, vor, um ihm wieder einmal Unterricht zu erteilen. Ist Flocks Nase auf Tabakgeruch geschärft, soll sie jetzt das
Kaffeearoma kennen und unterscheiden lernen. Flock beschnupperte die Bohnen wohl und blickte mit den klugen Lichtern seinen
Herrn an. Die Nachsuche wollte jedoch nicht recht von statten gehen. Anton versuchte es mit gebranntem Kaffee, und solchen
fand Flock rasch in den Verstecken. Doch der Gebieter ließ nicht nach, der Hund mußte immer wieder ungebrannte
Bohnen suchen, und um Flock um so sicherer an den allerdings schwachen Geruch ungebrannten Kaffees zu gewöhnen,
verstreute Anton solche Bohnen in des Hundes Lagerdecke. Dann trat Lergetbohrer wieder seinen nichts weniger denn angenehmen
Dienst an, indem er andere, in seinem Rayon gelegene Wirtschaften auf die steuerpflichtigen Weinvorräte
kontrollierte.
Überall böse Gesichter, Ärger und Verdruß, spitze Redensarten.
Schon ging es dem Abend zu; Anton kam in die Nähe der Wirtschaft Wüstelers, die überfüllt war von
Gästen. Die Dampfschiffe und Eisenbahnzüge mochten wohl viele Reisende gebracht haben, Touristen labten sich im
Garten, und auch die Bürger hatten sich zum Dämmerschoppen eingefunden.
Zenzele amtierte mit zwei Aushilfskellnerinnen eifrig, das Geschäft ging flott. Die Weinwirtschaft ist eine
Goldgrube, und wer Wüstelers Tochter einmal freien wird, der ist ein gemachter Mann.
Lergetbohrer stand in der Nähe des Schankgartens und überblickte das rege Getriebe. Was da Wein herbeigeschleppt
wird, ist erstaunlich.
Der Befehl lautet, eine zweite Revision der am Zapfen liegenden Fässer bei Wüsteler vorzunehmen. Mit Zenzele
zusammenzutreffen, mag unangenehm sein, der Dienst darf keine Rücksicht kennen. Kurz entschlossen begibt sich Anton, der
den Faßmesser jetzt ständig bei sich führt, abermals in die Schenke, wo Wüsteler selbst die Flaschen aus
den Weinkrügen füllt. Ein Kernfluch entfuhr seinen Lippen beim Erscheinen des Finanzers, und giftig schrie er, was
denn der Oberaufseher schon wieder wolle.
»Faßkontrolle vornehmen! Bitte, gehen Sie mit!«
»Der Teufel soll mit Ihnen gehen! Ich habe keine Zeit!«
»Sie oder eine von Ihnen bezeichnete Vertrauensperson muß der Kontrolle beiwohnen!«
Wüsteler zeigte sich jetzt gedrückt, fast kleinlaut übergab er den Revisionsbogen, Schlüssel und Licht
und rief Zenzi herbei zur Begleitung des Finanzers.
Das Mädchen guckte wohl groß, ging aber bereitwillig mit und leuchtete mit der Kerze zur Kontrollarbeit, ohne
vorerst zu sprechen.
Anton begann die Revision gleich beim ersten, dem Kellerfenster am nächsten liegenden Faß und führte den
Messer ein, welcher zu Lergertbohrers größter Überraschung jetzt einen größeren Inhalt anzeigte,
als sich bei der vormittägigen Revision ergeben hatte. Waren früher achtundsechzig Liter in diesem Faß, so
zeigte der Messer jetzt am Abend dreiundneunzig Liter an. Und dabei ist doch den ganzen Tag über dem Faß viel Wein
entnommen worden!
Erregt über diese Entdeckung kontrolliert Anton die übrigen Fässer. Was am Zapfen liegt, hat
durchgängig mehr Inhalt als heute früh. Intakt sind nur die versiegelten Fässer geblieben.
Zitternd steht Anton im Keller; die Erkenntnis, daß Wüsteler unlauter manipuliert, auf geheime Weise seine
Fässer auffüllt, um der Versteuerung zu entgehen, wirkt erschreckend auf den Finanzer, Zeigt er diesen Vorgang
pflichtgemäß an, so wird Wüsteler in die größten Unanehmlichkeiten verwickelt werden. Und was wird
Zenzele sagen? Wird Anton nicht als gemeiner Denunziant erscheinen? Ist aber eine solche Anzeige des Betruges nicht
beschworene Dienstpflicht?
»Heiliger Gott! Was tue ich nur?« murmelte Anton und begann, die Kontrollziffern in den Bogen einzuschreiben.
Seine Erregung ist der Wirtstochter
Weitere Kostenlose Bücher