Der Finanzer
nickte das Mädchen ihm zu und verließ die Stube.
Lergetbohrer begab sich, da seine dienstlichen Obliegenheiten erfüllt waren, in die Kaserne zurück.
Ziemlich rasch arbeiteten die Steuer- und Finanzbehörden.
Nachdem einmal der Tatbestand festgestellt war und die Geständnisse vorlagen, konnte zunächst dem Weinwirt
Wüsteler die Rechnung für seine Steuerhinterziehung gemacht werden, die denn auch »gesalzen und
gepfeffert« von Rechts wegen ausfiel. Erwiesen war ein unangemeldeter und unversteuerter Bezug von rund tausend
Hektoliter Wein. Hiervon sind an ärarischer Verzehrungssteuer zu entrichten 2970 fl., hierzu 50 Prozent Gemeindezuschlag
mit 1485 fl., in Summa 4455 fl. Die Oberbehörde dekretierte eine vierfache Strafe für die Steuerhinterziehung im
Betrage von 10000 fl. und für das sich ergebende Mehr eine Arreststrafe für Wüsteler.
Der Cafetier Merkle wurde in gleicher Weise als Mitschuldiger bestraft und wegen Kaffeeschmuggels außerdem zu einer
Geldstrafe von 600 fl. verurteilt. Beide Steuerdefraudanten sind ruiniert; ihre Besitzungen wurden von der Finanzprokuratur
durch das Gericht zur Strafsicherstellung mit Beschlag belegt und die Wirtschaft Wüstelers wie die Kaffeeschenke Merkles
durch aufgestellte Vertrauenspersonen bis zur zwangsweisen Versteigerung verwaltet.
Zenzi verließ mit dem ihr verbliebenen Eigentum, von Flock begleitet, an dem Tage das elterliche Haus, an welchem
der Verwalter aufzog, und quartierte sich bei Verwandten ein.
Das einst stolze Mädchen ist tief gedemütigt und bettelarm geworden, und der Vater sitzt im Gefängnis, wo
er hinreichend Gelegenheit hat, über den weitreichenden Arm der Finanzbehörde Betrachtungen anzustellen.
Kap. 7
Wie es im Leben stets zu gehen pflegt, so ward es auch im Schicksalslaufe Lergetbohrers: Was dem einen Schaden bringt,
gereicht dem anderen zum Nutzen. Die Aufdeckung der großartigen Steuerhinterziehung bei Wüsteler und Merkle wurde
dem Oberaufseher zum Verdienst angerechnet, Anton avancierte zum Finanzwache-Bezirksleiter. Doch er vermochte sich dieser
Beförderung nicht zu freuen; sie ist zu teuer erkauft durch den Ruin Wüstelers und die Verarmung Zenzis. Das arme
Mädchen war gezwungen, sich das kärgliche Brot durch Näharbeit zu verdienen. Still und tief gedemütigt
arbeitete Zenzi in einem bei Handwerksleuten gemieteten Stübchen, und erst zur Dämmerstunde verließ sie das
Haus, um möglichst unbeachtet die fertige Ware den Kunden zuzutragen. Aus dem einst so stolzen, hochmütigen
Mädchen ist eine arme, doch tapfer ringende Nähmamsell geworden.
Monate vergingen gleichförmig unter steter stiller Arbeit. Eines Tages sollte Zenzi jäh aufgeschreckt werden
durch eine erschütternde Kunde, die sie in die Krankenabteilung des Gefängnisses rief. Der Vater ist, gebrochen
durch das über ihn eingestürmte Schicksal, schwer erkrankt und aus der Gefangenenzelle ins Krankenhaus verbracht
worden, Wüsteler konnte den Freiheitsverlust nicht verwinden, die Kerkerstrafe beschleunigte den Krankheitslauf, Als
Gefahr drohte, wurde Zenzi geholt, und das Wiedersehen galt einem Sterbenden.
Wenige Tage darauf wurde der alte Wüsteler begraben.
Allein stand nun das arme Mädchen und verlassen, gemieden als die Tochter eines im Kerker verstorbenen
Verbrechers.
In diesem Jammer konnte die Endabrechnung aus dem »Falle Wüsteler« mit der Überantwortung eines
Restbetrages zugunsten Zenzis aus dem Zwangsverkauf des väterlichen Anwesens nur neuen Schmerz erzeugen, und die wenigen
Geldscheine brannten in des Mädchens Hand wie Feuer.
Am liebsten hätte Zenzi die Annahme verweigert, doch der alte Überbringer, ein Bote des Steueramtes, riet in
väterlich guter Absicht, diesen Notpfennig aufzubewahren und den Schmerz tapfer niederzukämpfen.
Von diesen Ereignissen hatte Lergetbohrer keine Ahnung, denn er war in den Außendienst und provisorisch nach einer
Außenstation versetzt worden. Das war so rasch geschehen, daß Anton sich von Zenzi nicht verabschieden und auch
sein Hündchen, das bei dem Mädchen verblieben, nicht abholen konnte. Erst durch eine zufällige Bemerkung eines
durchreisenden Kollegen, daß Wüsteler verstorben sei, erfuhr Anton von dem neuen Schicksalsschlage, und sofort
erbat er einen kurzen Urlaub zu einem Besuch Zenzis in Bregenz, der indes nach Lage der Dienstverhältnisse erst nach
einigen Tagen gewährt werden konnte.
Anton kam mit der Bahn nach Bregenz und stand nach dem
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