Der Findling
wohl anders könnten, als dem Beispiele dieser hochedeln Vorgänger zu folgen.
Die Abfahrt von Kilgobinet erfolgte um neun Uhr Morgens. Heute war regnerisches Wetter, so daß der Landauer geschlossen werden mußte. Die Herrschaften meinten sogar, der Groom neben dem Kutscher werde den stürmischen Wind kaum aushalten können. Bah! Der hatte schon ganz anderm Wetter getrotzt!
Der Knabe verlor also keines von den schönen Landschaftsbildern und bewunderte ebenso die nebelumfangenen Bergzüge des Ostens, wie die tiefen Abhänge des Westens, die zur Küste hinabfallen. In seiner Seele sproßte die Empfindung für Naturschönheiten immer mehr auf, und immer schärfer prägten sich diese seinem Gedächtniß ein.
Am Nachmittage zeigten sich, je weiter die vom Carrantuohill überragten Berge im Osten verschwanden, die Iveraghberge am entgegengesetzten Horizonte. Weiter hinaus sollte, dem Reisehandbuche nach, eine bequeme Straße nach dem kleinen Hafen von Cahersiveen hinabführen.
Gegen Abend erreichten Ihre Herrlichkeiten nach einer Fahrt von zehn Meilen die Ortschaft Carramore. Entsprechend dem hier sehr lebhaften Touristenverkehr giebt es daselbst auch zahlreiche, gut ausgestattete Hôtels, so daß die im Landauer mitgeführten Vorräthe nicht angegriffen zu werden brauchten.
Am folgenden Tage ging es bei Regenwetter weiter. Am Himmel jagten, bei steifem Winde vom Meere her, die Wolken schnell dahin. Nur von Zeit zu Zeit stahl sich ein Sonnenstrahl dazwischen hindurch. In vollen Zügen athmete Findling aber die mit den salzigen Dünsten des Meeres beladne Luft ein.
Kurz vor Mittag lenkte der Wagen nach einer scharfen Straßenbiegung gerade nach Westen hin ein. Nachdem er nicht ohne einige tüchtige Stöße einen Engpaß der Iveraghkette passiert hatte, rollte er, von dem Schleifzeug im Laufe gemäßigt, allein nach der Ausmündung der Valentia hinab, und gegen fünf Uhr hielt er am Ziele der Reise vor einem Hôtel in Cahersiveen.
»Wie viel mögen Ihre Herrlichkeiten wohl unterwegs von allen Schönheiten der Natur gesehen haben?« fragte sich Findling mit einem gewissen Bedauern für die Gleichgiltigkeit der vornehmen Herrschaft.
Er wußte ja noch nicht, daß so viele von den »Oberen Zehntausend« nur reisen, um sagen zu können, daß sie gereist seien.
Der Flecken Cahersiveen liegt am linken Ufer der Valentia, die sich hier zu einem Nothhafen erweitert, der den Namen Valentia-Harbour erhalten hat. Vor ihm erhebt sich die gleichnamige Insel mit ihrem Brag-Head, als einem der am weitesten nach Westen hinausragenden Punkte Irlands. Was den Flecken selbst betrifft, so wird kein Ire vergessen, daß er der Geburtsort O’Connell’s ist.
Am folgenden Tage mußten Ihre Herrlichkeiten, die nun darauf bestanden, ihr Reiseprogramm bis zur letzten Nummer zu erledigen, dem Besuche der Insel Valentia noch einige Stunden widmen. Das Verlangen, Möven zu schießen, hatte den Grafen Ashton erfaßt, und deshalb bekam Findling zu seinem größten Vergnügen Befehl, ihn zu begleiten.
Ein Fährdampfer unterhielt den Verkehr zwischen Cahersiveen und der eine Meile vor der Mündung aufragenden Insel. Lord Piborne, Lady Piborne und ihr Gefolge schifften sich nach dem Frühstück ein und das Ferry-Boat setzte sie in dem kleinen Hafen ab, wo die Fischerboote bei plötzlichen Stürmen Schutz finden.
Sehr wild und rauh von außen, entbehrt diese Insel doch nicht gewisser mineralischer Schätze, denn es finden sich auf ihr mehrere ergiebige Schieferbrüche. In einem Dorfe kann man verschiedene Häuser sehen, deren Mauern und Dach aus je einem einzigen großen Stück Schiefer bestehen. In diesem Dorfe ist auch für Unterkommen für Touristen gesorgt, obwohl kaum einer, trotz des vortrefflichen Gasthofs, davon Gebrauch macht. Wozu auch? Wenn sie, wie es auch Ihre Herrlichkeiten thaten, das alte verfallene Fort, das Cromwell einst erbaute, besucht und den Leuchtthurm, den Wegweiser für die Seeschiffe, bestiegen, und wenn sie die Skellings, das sind zwei hohe Bergkuppen in der Entfernung von fünfzehn Meilen, bewundert haben, deren Feuer die Nähe dieser gefährlichen Küstenstrecke weit hinaus anzeigt, dann bietet Valentia nichts besondres mehr. Es ist nur eine jener Inseln, die man an der Westküste Irlands zu Hunderten findet.
Immerhin genießt Valentia eine dreifache specielle Berühmtheit.
Es diente als Ausgangspunkt der Triangulierung, mittelst der ein Bogenstück der Erde gemessen wurde, das quer durch Europa bis zum Uralgebirge
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