Der Findling
erscheint es geradezu sinnlos, ihn in England zu feiern. Hat der Historiker Alison nicht nachgewiesen, daß er sich bei Waterloo überraschen ließ? Zum Glück für ihn standen ihm raschentschlossene Truppen, irische Soldaten, zur Seite. Die Irländer sind dem Hause Braunschweig, als es ihr Feind war, treu ergeben gewesen, treu Georg III., der sie verrieth, treu Georg IV., der vor Wuth aufschrie, als er die Emancipation zugestand, treu dem alten Wilhelm, dem das Ministerium abscheuliche und blutige Maßregeln gegen Irland unterbreitete. Auch der Königin haben sie ihre Treue bewahrt. Darum England den Engländern, Schottland den Schotten, aber auch Irland den Irländern!« – Das sind herrliche Worte!… Der Leser wird bald erkennen, wie der Wunsch O’Connell’s in Erfüllung gegangen ist und ob der Boden Irlands seinen Kindern gehört.
Limerick ist noch immer eine der Hauptstädte der Smaragdnen Insel, obwohl es, seitdem Tralee ihm einen Theil seines Handels raubte, vom dritten auf den vierten Rang gesunken ist. Es zählt gegen dreißigtausend Einwohner. Seine Straßen sind regelmäßig. breit und gerade; seine Läden, Magazine, Hôtels und öffentlichen Gebäude erheben sich an geräumigen Plätzen. Ueberschreitet man aber, nach Begrüßung des Steines, auf dem der Emancipationsvertrag unterzeichnet wurde, die Brücke des Thomond, so findet man, daß dieser Theil der Stadt hartnäckig irländisch geblieben ist. Hier sieht man noch das Elend und die Ruinen von der Belagerung her, die zerstörten Bollwerke, den Standort jener »Schwarzen Batterie«, die unerschrockne Frauen, gleich ebensovielen Johanna Hachette’s, gegen die Orangisten bis zum Tode vertheidigten. Ein trauriger, beklagenswerther Contrast!
Limerick hat eine Lage, die es zu einem Mittelpunkte der Industrie und des Handels machen könnte. Der Shannon, der »Azurne Fluß«, bietet ihm einen jener Wege, die selbst gehen, wie der Clyde, die Themse oder der Mersey. Wenn London, Glasgow und Liverpool aber ihre Flüsse ausnützen, so macht das Limerick mit dem seinen leider nicht ebenso. Kaum beleben einige Barken seine trägen Fluthen, die nur die schönen Theile der Stadt benetzen und die fetten Weiden ihres Thales ernähren. Die auswandernden Irländer sollten ihren Shannon nur mit nach der Neuen Welt versetzen: die Amerikaner würden schon etwas daraus zu machen wissen.
Beschränkt sich auch die ganze Thätigkeit Limericks auf die Erzeugung von Schinken, so bleibt es doch eine angenehme Stadt mit wirklich hübschen weiblichen Bewohnern, was jedermann leicht auffallen mußte.
Hervorragende Schauspielerinnen sind nicht die Persönlichkeiten, die für ihr Privatleben nach undurchsichtigen Mauern verlangen; sie würden im Gegentheil lieber in Glashäusern wohnen, wenn es solche gäbe. Miß Anna Walston hatte keine Ursache zu verheimlichen, was in Galway vorgegangen war. Schon am Tage nach ihrer Rückkehr sprach man in ganz Limerick von der dortigen Lumpenschule, und es ging das Gerücht, die Heldin so vieler Dramen habe sich in die Flammen gestürzt, um ein kleines Wesen zu retten. Sie widersprach dem nicht ausdrücklich, ja zuletzt glaubte sie es vielleicht selbst. Ohne Zweifel hatte sie in das Royal-George-Hôtel ein Kind mitgebracht, das sie adoptieren, einen Waisenknaben, dem sie ihren Namen geben wollte, da er keinen hatte… nicht einmal einen Taufnamen.
»Findling,« lautete seine Antwort, als sie ihn fragte, wie er hieße.
So mochte es auch dabei bleiben; sie hätte doch keinen besseren gefunden; jener war ja ebenso gut wie Eduard, Arthur oder Mortimer. Uebrigens nannte sie ihn am liebsten »Baby«, »Bebery«, »Babilsky«, oder wie die mütterlichen Kosenamen in England sonst lauten.
Natürlich verstand unser Held hiervon nicht das geringste. Er ließ alles über sich ergehen, Liebkosungen und Küsse, die er nicht gewöhnt war, ließ sich schöne Kleider gefallen – und er wurde nach neuester Mode aufgeputzt – und glänzende Stiefelchen. Er murrte nicht darüber, daß man ihm Locken machte, natürlich auch nicht über das vortreffliche Essen oder über die Süßigkeiten, die er in Ueberfluß erhielt.
Wie zu erwarten, stellten sich die Freunde und Freundinnen der Schauspielerin baldigst im Royal-George-Hôtel ein, um Miß Anna ihre Complimente zu machen, die diese dankend annahm. Dann wurde von der Geschichte der
Ragged-School
gesprochen. Schon nach kurzer Unterhaltung hatte da das Feuer meist die ganze Stadt Galway vernichtet. Man
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