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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Uebrigens… die Situation… ja, die Situation in dem Drama erfordert, daß sie schön sei… vornehm… doch, das verstehst Du nicht….
    – Nein, das versteh’ ich auch nicht! versicherte der kleine Knabe traurig. Mir kommt es manchmal vor, als wäre meine Mama schon todt….
    – Todt?… O nein!… Mach’ Dir nicht solche Gedanken!… Wenn sie todt wäre, dann gäb’s ja kein Stück mehr….
    – Was für ein Stück?…«
    Miß Anna Walston umarmte den Kleinen, und das war am Ende die beste Antwort, die sie ihm augenblicklich geben konnte.
    »Wenn sie aber nicht todt ist, fuhr der kleine Bursche mit der seinem Alter eignen Zähigkeit fort, wenn sie eine schöne Dame ist, warum hat sie mich denn verlassen?…
    – Sie wird dazu gezwungen gewesen sein, mein Babery… gewiß ganz wider Willen… doch… bei der Lösung des Knotens…
    – Miß Anna?…
    – Was willst Du noch?
    – Meine Mama…
    – Nun, weiter!
    – Das sind Sie doch nicht?…
    – Wie… ich… Deine Mama?
    – Weil Sie mich »mein Kind« nennen.
    – Das sagt man so, mein Cherub, so nennt man Kinder Deines Alters immer…. Das arme Würmchen, so etwas glauben zu können!… Nein, ich bin Deine Mama nicht!.. Wärst Du mein eignes Söhnchen, ich hätte Dich nicht verlassen, Dich nicht dem Elend preisgegeben!… O, gewiß nicht!«
    Mit einer neuen Umarmung beendete Miß Anna Walston das Gespräch, nach dem der Findling recht betrübt davonschlich.
    Armes Kind! Ob reicher oder armer Herkunft, höchst wahrscheinlich sollte es seine Angehörigen niemals kennen lernen, wie so viele aufgelesene Findlinge.
    Als Miß Anna Walston ihn mit sich nahm, hatte sie freilich nicht daran gedacht, welche Pflichten ihr das für die Zukunft auferlegen würde. Ja sie hatte sich nicht einmal vorgestellt, daß dieses Baby wachsen könnte, daß sie für seinen Unterricht, für seine Erziehung zu sorgen haben werde. Es ist ja recht gut und schön, ein kleines Wesen zu liebkosen, besser aber doch noch, auch seinem Geiste die nöthige Nahrung zu gewähren. Ein Kind zu adoptieren, schließt auch die Verpflichtung ein, es zum Menschen zu machen. Diese Pflicht hatte die Schauspielerin gar nicht bedacht. Freilich zählte der Findling jetzt kaum fünfeinhalb Jahre, in diesem Alter beginnt aber das Erwachen der geistigen Fähigkeiten. Was sollte nun aus ihm werden? Er konnte ihr doch nicht bei ihren Gastspielreisen von Theater zu Theater, von Stadt zu Stadt folgen, vorzüglich wenn sie ins Ausland ging… So würde sie sich also genöthigt sehen, ihn einer Pension anzuvertrauen… natürlich nur einer ganz guten. Auf jeden Fall würde sie ihn niemals verlassen.
    Eines Tages bemerkte sie gegen Elisa:
    »Er entwickelt sich alle Tage besser. Hast Du das nicht beobachtet? Welch’ empfindsame Natur! O, seine Liebe wird mir lohnen, was ich für ihn that!… Und dann… wie frühreif! Alles will er wissen. Ich finde sogar, er ist überlegter, als er es bei seiner Jugend sein sollte… und er hat sich für meinen Sohn halten können! Der arme Kleine! Ich dürfte doch seiner Mutter schwerlich ähnlich sein!… Das war gewiß eine sinnende, ernste Frau. Sprich doch, Elisa, wir werden ja einmal daran denken müssen….
    – Woran denn?
    – Was aus ihm werden soll.
    – Aus ihm werden?… Jetzt schon?…
    – Nein, jetzt noch nicht, meine Liebe; jetzt mag er noch wie eine Blume freudig aufwachsen… Nein, später… später, wenn er sieben bis acht Jahre zählt. Ist das nicht das Alter, mit dem die Kinder gewöhnlich in eine Pension kommen?«
    Elisa wollte ihr schon entgegenhalten, daß der Junge doch an die Lebensweise in einer Pension schon gewöhnt sein müsse – sie hatte ja Recht, freilich nur in Bezug auf die Lebensweise in der Lumpenschule – und ihrer Meinung nach wäre es am besten, wenn er baldigst wieder einer, natürlich besseren Anstalt übergeben würde. Miß Anna Walston ließ sie darüber gar nicht zu Worte kommen.
    »Sag’ einmal Elisa…?
    – Was denn, Miß Anna?
    – Glaubst Du, daß unser Cherub Lust zum Theater haben könnte?
    – Er?…
    – Ja. Betrachte ihn nur genau. Er hat ein hübsches Gesicht, prächtige Augen und tadellose Haltung. Das erkennt man schon, und ich bin überzeugt, daß er einen entzückenden Liebhaber abgeben würde….
    – Halt… halt… halt, Miß Anna! Sie lassen Ihren Gedanken die Zügel schießen!
    – Ei, ich werde ihm Komödie spielen lehren. Der Schüler der Miß Anna Walston!… Ahnst Du den Effect?
    – In fünfzehn

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