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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gras beißen!«
    Es war jetzt Mitte October.
    In der kaum verschlossenen Hütte wurde es schon recht kalt und durch das da und dort mangelhafte Strohdach sickerte der Regen. Der Wind pfiff durch das morsche Gebälk. Das dürftige Torffeuer vermochte keine erträgliche Temperatur zu erhalten. Sissy und Findling drängten sich dicht aneinander, um sich nur etwas zu erwärmen.
    Während das Fieber die kleine Kranke auf dem Strohlager schüttelte schwankte die Megäre trunken hin und her, und vorsichtig wich ihr das Knäblein aus, den sie sonst gewiß umgestoßen hätte. Sissy kniete neben der Leidenden und netzte deren trockene Lippen mit kaltem Wasser. Von Zeit zu Zeit warf sie einen Blick in den Kamin, worin die schwache Torfgluth zu erlöschen drohte. Auch der Topf stand nicht auf dem Dreifuß. Wozu auch? Es war ja nichts hineinzuthun im Hause.
    Die Hard aber knurrte für sich:
    »Fünfzig Schillinge!… Dafür soll unsereins ein Kind erhalten! Und wenn ich von den Steinklötzen im Armenhause einen Zuschuß verlangte, da würden sie mich schön heimschicken!«
    Das war freilich richtig. Doch selbst bei höherer Entschädigung hätten die beklagenswerthen Pflegekinder der Hard auch kein Stückchen Brod mehr bekommen.
    Am letzten Tage war der letzte »Stirabout«, ein dickes, mit Wasser gekochtes Hafermehlmus, aufgegessen worden, und seitdem hatte in der Hütte niemand, auch die Hard nicht, einen Bissen über die Lippen gebracht. Die Frau selbst hielt sich mit Gin aufrecht, hütete sich aber wohl, für Nahrungsmittel auch nur einen Penny ihres letzten Geldes auszugeben. So blieb ihr nichts andres übrig, als von einem Felde einige Kartoffeln für das Abendbrod zu holen….
    Da machte sich von draußen ein tiefes Grunzen hörbar. Die Thür wurde aufgestoßen. Ein Schwein, das durch die kothige Dorfstraße trabte, drang in die Hütte ein.
    Das hungrige Thier durchsuchte laut schnüffelnd alle Ecken und Winkel. Die Hard schloß die Thür wieder, bemühte sich aber gar nicht, den Eindringling wieder zu entfernen, sondern sah das Thier nur mit den unstäten Blicken eines Trunkenboldes an.
    Sissy und Findling sprangen auf, um dem Borstenvieh aus dem Wege zu gehen. Während dieses mit dem Rüssel den Schmutz des Fußbodens durchwühlte, leitete es sein Instinct hinter den erloschenen Kamin, wo es eine dahin verlorene Kartoffel fand. Sofort packte es diese mit den Zähnen.
    Findling bemerkte es. Diese Knollenfrucht konnte er selbst gebrauchen. So stürzte er sich auf das Thier auf die Gefahr hin, getreten und gebissen zu werden. Dann rief er Sissy, und beide verzehrten die Kartoffel mit gierigen Lippen.
    Das Thier blieb einen Augenblick stehen, dann stürzte es auf das Kind zu.
    Der Findling suchte, noch mit einem Stück Kartoffel in der Hand, zu entfliehen; ohne das Dazwischentreten der Hard wäre er aber, weil er hingefallen war, gewiß arg gebissen worden, obgleich ihm Sissy schon zu Hilfe gekommen war.
    Die betrunkne Frau begriff endlich, was hier vorging. Mit einem Stocke schlug sie jetzt auf das Schwein los, das nicht sobald nachgeben zu wollen schien.
    Ihre schlecht gezielten Streiche hätten Findling beinahe den Kopf zerschmettert, und der Ausgang dieses Zwischenfalles wäre sehr unsicher geworden, als sich an der Thür ein leichtes Geräusch vernehmen ließ.
Fußnoten
    1 Die Torfgruben Irlands mit rothem oder schwarzem »Bog« umfassen über zwölftausend Quadratkilometer oder den siebenten Theil der Insel und enthalten bei einer durchschnittlichen Mächtigkeit von acht Metern gegen sechsundneunzigtausend Millionen Cubikmeter Brennmaterial.
Elftes Capitel.
Ein vortheilhaftes Geschäft.
    Die Hard erschrak fast. In ihre Höhle kam ja sonst kein Mensch. Und warum gar an die Thür klopfen? Man brauchte diese ja nur aufzuklinken.
    Die Kinder waren in einen Winkel geflüchtet, wo sie schmunzelnd und mit aufgetriebenen Wangen ihre Kartoffel vollends aufaßen.
    Da klopfte es von neuem und etwas stärker. Vielleicht stand ein Straßenbettler draußen, der hier, in der Hütte der Armuth, noch um ein Almosen ansprechen wollte.
    Die Hard richtete sich auf, sachte einen festen Stand zu gewinnen und machte den Kindern ein drohendes Zeichen. Es konnte ja auch ein Inspector aus Donegal sein, und vor dem durften doch Findling und seine Genossin nicht vor Hunger jammern.
    Die Thür ging auf und mit wildem Grunzen drängte sich das Borstenvieh hinaus.
    Ein auf der Schwelle stehender Mann wäre beinahe umgerannt worden. Er richtete sich

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