Der Findling
mir einen Augenblick hinauszutreten?
– Sie haben etwas mit mir zu sprechen? fragte die Hard, noch immer beunruhigt.
– Ja, beste Frau, über die kleinen Kinder hier… und ich würde mir Vorwürfe machen, die Angelegenheit in deren Beisein zu behandeln, da es ihnen vielleicht schmerzlich sein könnte…«
Beide traten hinaus, schlossen die Thür, und gingen einige Schritte fort.
»Nun, gute Frau, begann der Versicherungsagent, Sie haben also drei Kinder?
– Ja wohl.
– Ihre eignen?…
– Nein.
– Sind Sie mit denselben verwandt?
– Nein.
– Ah so, sie haben jene also wohl aus dem Donegaler Armenhause übernommen?
– Ganz recht.
– Dann, beste Frau, konnten sie ja gar nicht in bessere Hände kommen. Und doch kommt es trotz sorgsamster Pflege vor, daß solche kleine Wesen erkranken. Das Leben eines Kindes hängt oft nur an einem Faden, und ich glaube gesehen zu haben, daß die eine Ihrer zarten Pfleglinge…
– Ich thue, was ich kann, mein Herr, unterbrach ihn die Hard, die ihren Wolfsaugen mit Mühe eine Thräne entpreßte. Ich wache Tag und Nacht über diese Kinder… oft darbe ich selbst, damit es ihnen nicht am Nöthigen fehlt. Das Armenhaus zahlt für die Erziehung der Kleinen gar zu wenig, kaum drei Pfund bester Herr, drei Pfund Sterling für das Jahr…
– Das reicht allerdings nicht aus, liebe Frau, und es bedarf einer großen Opferwilligkeit Ihrerseits, um die Bedürfnisse der hübschen Kinder zu decken… Sie haben zur Zeit also zwei kleine Mädchen und einen Knaben?…
– Ja.
– Ohne Zweifel Waisen?
– Jedenfalls.
– Meine vielfachen Berührungen mit Kindern erlauben mir, das Alter der Mädchen auf vier und sechs Jahre, das des kleinen Knaben auf zwei Jahre abzuschätzen…
– Wozu alle diese Fragen?
– Wozu? Das werden Sie gleich hören, gute Frau!«
Die Hard warf ihm einen forschenden Blick zu.
»Gewiß ist die Luft, fuhr er fort, in der Grafschaft Donegal sehr rein… die hygienischen Verhältnisse sind vortrefflich… lind doch, solche Babys sind so zarter Natur, daß es trotz Ihrer liebevollsten Pflege vorkommen kann – verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das Herz zerreiße! – daß es vorkommen kann, eines oder das andre der Kleinen zu verlieren…. Sie sollten sie versichern….
– Sie versichern?…
– Jawohl, beste Frau; versichern… zu Ihrem Vortheil….
– Zu meinem Vortheil! rief die Hard, deren Blick sich durch die erwachende Habsucht belebte
– Das werden Sie sofort verstehen. Durch monatliche Zahlung von wenigen Pence an meine Gesellschaft sichern Sie sich eine Summe von zwei bis drei Pfund Sterling, wenn eines der Kinder sterben sollte….
– Zwei bis drei Pfund!« wiederholte die Hard.
Der Agent konnte schon auf die Annahme seines Vorschlags rechnen.
»Das geschieht ganz allgemein, liebe Frau, fuhr er mit honigsüßer Stimme fort. Wir haben in den Pachthöfen von Donegal schon mehrere hundert Kinder versichert, und wenn auch nichts über den Tod eines zarten Wesens, das man herzinnig geliebt hat, eigentlich zu trösten vermag, so ist es doch mindestens… eine… eine Art Ersatz, ich gesteh’ es zu, ein sehr minderwerthiger, einige Guineen in gutem englischen Golde zu erheben, die meine Gesellschaft dann darzubieten so glücklich ist….«
Die Hard faßte die Hand des Agenten.
»Und die erhält man… ohne Schwierigkeiten? fragte sie mit heiserer Stimme und sich scheu rings umsehend.
– Ganz ohne Schwierigkeiten, gute Frau. Sobald ein Arzt das Ableben eines Kindes beglaubigt hat, braucht man nur zu dem Vertreter der Gesellschaft in Donegal zu gehen.«
Dabei zog er ein Papier aus der Tasche.
»Hier habe ich bereits ausgefüllte Policen, sagte er, und wenn Sie sich entschließen, diese zu unterschreiben, so werden Sie der Zukunft weniger besorgt entgegensehen. Ich bemerke Ihnen noch, daß Sie, wenn eines der Kinder sterben sollte, was ja ach! gar zu häufig vorkommt, die Versicherungssumme ja zum besten der andern verwenden können. Das Armenhaus zahlt wirklich allzuwenig….
– Und das würde mir kosten?… erkundigte sich die Hard
– Den Monat drei Pence für jedes Kind, also neun Pence….
»Nun, gute Frau, Sie haben also drei Kinder?« (S. 126.)
– Sie würden auch das kleinere Mädchen versichern?…
– Natürlich, beste Frau, obgleich sie mir sehr krank erschien. Wenn Ihr Bemühen sie nicht rettet, so sind das zwei Pfund – verstehen Sie recht! – zwei Pfund Sterling für Sie. Bedenken Sie auch, daß das was
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