Der Findling
worin die Winde vom hohen Meere sich fangen…. riesige Granitorgeln, die der Ocean mit vollen Lungen anbläst. Gerade Donegal ist den von Amerika herüberbrausenden Stürmen, die unterwegs noch locale Wirbel mit sich fort reißen, in erster Linie ausgesetzt. Es ist wirklich eine Eisenküste nothwendig, um dem Anprall der wüthenden Nordwestwinde zu widerstehen.
Vorzüglich die Bai von Donegal, an der der Fischerhafen gleichen Namens liegt und die gleich einem Haifischrachen aus dem Lande geschnitten ist, leidet unter diesen von Seenebeln geschwängerten Luftströmungen. Durch das im Hintergrunde der Bai gelegene Städtchen fegt immer eine scharfe Brise. Die umliegende Hügelwand vermag die Schneestürme nicht zu brechen, und diese haben noch nichts von ihrer Wuth verloren, wenn sie das Dorf Rindok, sieben Meilen von Donegal, erreichen.
Ein Dorf?… Nein. Kaum zehn längs einer engen Thalschlucht verstreute Hütten, zwischen diesen ein Wasserlauf, der im Sommer ein dürftiger Wasserfaden, im Winter oft ein brausender Strom ist. Von Donegal nach Rindok giebt es keinen gebahnten Weg, nur einige Pfade, die kaum für die landesüblichen Karren benutzbar sind, welche man mit den klugen, sicher auftretenden irländischen Pferden bespannt. Auch ein Jaunting-car rollt wohl zuweilen mühsam darüber. Trotz den in Irland schon vorhandenen Eisenbahnen scheint der Tag noch sehr fern zu sein, wo das Dampfroß regelmäßig das Gebiet von Ulster durcheilt. Flecken und Dörfer sind ja auch zu selten, das Ziel der meisten Reisenden sind nur einfache Pachthöfe.
Da und dort lugen jedoch einige Schlösser aus üppigem Grün hervor und ergötzen das Auge durch den phantastischen Schmuck ihrer angelsächsischen Bauart. So, mehr im Nordwesten und nach Milford zu, der Herrschaftssitz Carrikhart inmitten einer ausgedehnten Domäne von neunzigtausend Acres (36.000 Hektar), das Besitzthum des Grafen von Leitrim.
Die Häuschen oder Hütten des Dorfes Rindok – gewöhnlich nennt man sie nur »Cabinen« – haben alle Strohdächer, die zwar gegen die Winterregen nicht besonders schützen, im Sommer aber mit blühenden Levkojen und mit wucherndem Hauslaub bedeckt sind. Ein solches Strohdach liegt auf Wänden aus getrocknetem Lehm, der nothdürftig mit Kieselschichten verstärkt ist, und die meist so viele Risse zeigen, daß sie kaum mit der Ajoupa der Wilden oder der Isba der Kamtschadalen einen Vergleich aushalten. Man würde nicht glauben, daß solche Eulennester menschlichen Wesen zur Wohnung dienen, ohne den bläulichen Rauch, der aus der Blumendecke hervorwirbelt. Holz oder Steinkohle erzeugen diesen Rauch freilich nicht, nur Torf aus den benachbarten Sümpfen, der »Bog« von rostbrauner Farbe, den sich die Bewohner von Rindok nach Bedarf aus der nassen Erde schneiden. 1
Durch Kälte umzukommen, brauchte in diesem rauhen Lande niemand zu fürchten, leider aber weit eher durch Hunger. Der Boden liefert hier kaum einige Gemüse und wenige Früchte; nichts will recht gedeihen, mit einziger Ausnahme der Kartoffeln.
Als Zulage zu der dürftigen Nahrung hat der Bauer von Donegal höchstens gelegentlich eine Gans oder eine Ente, und auch davon nur die wild vorkommenden, da sie weniger gezüchtet werden. Das Wild, Hafen, wilde Kaninchen u. dergl., gehört allemal dem Landlord. Weiter giebt es, in den Schluchten zerstreut, einige Ziegen, die etwas Milch liefern, und schwarzborstige Schweine, die sich mühsam ihr Futter suchen müssen. Das Schwein ist hier der wirkliche Hausfreund, ganz wie der Hund in mehr begünstigten Ländern. Es ist »der Herr, der die Rente bezahlt«. wie der bezeichnende Ausspruch lautet.
Eine der erbärmlichsten Hütten von Rindok enthielt folgendes: einen einzigen Wohnraum, den eine wurmzerfressene, windschiefe Thür abschließt; zwei Löcher zur Rechten und zur Linken, die durch eine Lage dürres Stroh etwas Licht und Luft eindringen lassen; auf dem Fußboden eine Decke von Schmutz; an den Dachsparren Fetzen von Spinngewebe; im Hintergrunde einen Herd, dessen Rauchfang bis zum Strohdach hinausreicht; ein elendes Lager in einem Winkel, eine Streu im andern. An Mobiliar fand sich eine bucklige Bank, ein wackliger Tisch, ein alter Kübel mit grünlichen Schimmelstreifen, ein Spinnrad mit knarrender Kurbel. Als Geräthe ferner ein Kochtopf, eine kleine Pfanne, einige wohl kaum jemals gereinigte Näpfe und zwei oder drei Flaschen, die mit Wasser aus dem Bache gefüllt wurden, nachdem sie von dem vorher darin enthaltenen
Weitere Kostenlose Bücher