Der Findling
wohnte voll Andacht dem ganzen Gottesdienste bei. Das war ein Knabe, den man mit einigem Stolz sehen lassen konnte, wenn er so in seinem saubern, sorgsam gehaltenen Tweed aus gutem Stoffe einherging.
»Komm… Komm!« rief er zum letzten Male. (S. 133.)
Nach Schluß der Messe fuhren die Kirchenbesucher sogleich nach Kerwan zurück. In diesem Winter herrschte vielfach starkes Schneetreiben bei schneidendem Winde. Alle hatten davon geröthete Augenlider und aufgesprungene Gesichter. Am Barte Martins und seiner Söhne hingen lange Eiskrystalle, was ihnen fast das Aussehen von Gipsfiguren verlieh.
Findling blickte ins Land hinaus. (S. 149)
Im großen Kamin prasselte inzwischen ein von der Großmutter unterhaltenes tüchtiges Wurzelholz-und Torffeuer. Hier wärmte sich die kleine Gesellschaft wieder aus und setzte sich dann an den Tisch, worauf ein duftendes Stück Pökelfleisch mit Kohl dampfte, daneben eine Schüssel mit Kartoffeln in der Schale, und endlich eine Omelette – zu der die Eier natürlich nach der richtigen Nummernfolge gewählt waren. Verbot die Witterung einen Spaziergang, so vertrieb man sich den Tag mit Lesen und Plaudern, und Findling bereicherte seine Kenntnisse aus allem, was er hörte.
Die Monate verstrichen. Der Februar war sehr kalt und der März sehr regnerisch. Schon nahte die Zeit zur Wiederaufnahme der Feldarbeiten. Der im ganzen nicht allzustrenge Winter schien nicht lange mehr anhalten zu sollen, so daß die Einsaat voraussichtlich unter günstigen Verhältnissen erfolgen konnte. Dann waren die Pächter wohl auch in der Lage, für Weihnachten den dann abzuführenden Pachtschilling bereit zu halten und nicht von den in vielen Gegenden so häufigen Austreibungen bedroht zu sein, wenn die Ernte fehlschlägt, Austreibungen, durch die zuweilen ganze Kirchspiele entvölkert werden. 1
Immerhin hing eine schwarze Wolke, wie man zu sagen pflegt, am Horizonte der Farm.
Vor zwei Jahren war der zweite Sohn, Pat, mit einem dem Hause Marcuart in Liverpool gehörigen Handelsschiffe, dem »Guardian«, ausgesegelt. Zwei Briefe waren von ihm, nach Durchkreuzung der Südsee, eingetroffen, der letzte vor neun oder zehn Monaten, seitdem fehlte es aber ganz an Nachricht von ihm. Selbstverständlich hatte Martin darum nach Liverpool geschrieben. Die erhaltene Antwort lautete aber nicht besonders beruhigend. Man hatte weder durch Zeitungen, noch durch die auswärtigen Correspondenten etwas über das Schicksal des Schiffes gehört, und die Herren Marcuart machten aus ihren Befürchtungen wegen des »Guardian« kein Hehl.
Von Pat war in Folge dessen auf der Farm vielfach die Rede, und Findling sah deutlich genug, welchen Kummer dieses Ausbleiben jeder Nachricht der ganzen Familie bereitete.
Da war wohl die Spannung kein Wunder, mit der man jeden Tag das Eintreffen der Briefpost erwartete. Der kleine Knabe lauerte sie auf der Straße ab, die diesen Theil der Grafschaft mit deren Hauptorte in Verbindung setzt. Sobald er den an seiner blutrothen Farbe leicht erkennbaren Wagen von weitem erblickte, lief er, was er laufen konnte, nicht wie die Straßenbuben, die ein paar Kupfermünzen nachstürzen, sondern nur um zu hören, ob nicht ein Brief an Martin Mac Carthy angekommen wäre.
Der Postdienst ist auch in den entlegensten Grafschaften Irlands ganz vorzüglich eingerichtet. Der Wagen hält auf dem Lande an allen Thüren an, um Briefe zu vertheilen oder anzunehmen. An Mauern und Grenzsteinen befinden sich Kästen mit einer Rothgußplatte, selbst einfache Säcke, die an Baumzweigen hängen und die der Postconducteur im Vorüberkommen ausleert.
Leider traf kein Brief von der Hand Pats, auch keiner von der Firma Marcuart in der Farm ein. Seitdem der »Guardian« zuletzt in den Australischen Meeren gesehen wurde, war und blieb er vorläufig verschollen.
Die Großmutter war tiefbetrübt, denn gerade Pat hatte sie besonders ins Herz geschlossen. Auch jetzt sprach sie unausgesetzt von ihm, den sie bei ihrem hohen Alter nun nicht wiederzusehen fürchtete. Findling suchte sie immer zu beruhigen.
»Er wird schon wiederkommen, sagte er. Noch kenne ich ihn nicht, muß ihn aber doch kennen lernen, da er ja zur Familie gehört.
– Und er würde Dich ebenso lieb gewinnen, wie wir, antwortete sie.
– Es muß doch herrlich sein, Großmutter, Seemann zu sein! Wie schade nur, daß man da einander, und immer so lange, verlassen maß. Könnte denn nicht gleich eine ganze Familie zur See gehen?
– Nein,
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