Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
den Knaben konnte man sich verlassen, sondern um einige freundliche Worte mit ihm zu wechseln.
    »Nun, riefen sie da, wie macht sich’s denn mit der Heerde? Ist das Gras hübsch dicht?
    – Sehr dicht und fett, Herr Murdock.
    – Und sind auch die Schafe artig? fragt einer wohl lächelnd.
    – Sehr artig, Sim. Fragen Sie nur Birk, der hat mit ihnen nicht viel zu thun.«
    Der nicht grade schön zu nennende, aber sehr intelligente und muthige Birk war schon ein treuer Gefährte Findlings geworden. Beide unterhielten sich wirklich miteinander. Wenn der Knabe, den Blick auf ihn geheftet, mit dem Thiere sprach, so schien Birk, dessen braune Nasenspitze dabei zitterte, die Worte förmlich aufzusaugen und er wedelte verständnißinnig mit dem Schwanze, den man fast hätte einen »tragbaren Zeigertelegraphen« nennen können. Es waren eben zwei ziemlich gleichalterige gute Freunde, die einander vollkommen verstanden.
    Mit dem Mai fing es nun stärker an zu grünen. Die Futterkräuter, wie Esparsette, Rothklee und Luzerne bildeten bereits einen dichten Teppich. Die Getreidefelder zeigten dagegen nur noch recht kurze Halme, so daß sich Findling fast verführt fand, daran zu ziehen, um sie größer zu machen. Als Martin ihn eines Tags aufgesucht hatte, theilte er diesem seine berühmte Idee mit.
    »Glaubst Du denn, mein Junge, antwortete der Farmer lächelnd, Deine Haare wüchsen schneller, wenn man daran zupfte?… Nein; das würde Dir nur weh thun, weiter nichts.
    – So darf man das also nicht?
    – Nein; niemals soll man jemand, und wäre das auch nur eine Pflanze, wehe thun. Laß nur den Sommer kommen, die Natur ihr Werk verrichten, dann werden die grünen Sprossen zu schönen Halmen geworden sein, die wir abmähen, um das Stroh und die Körner zu gewinnen.
    – Glauben Sie, Herr Martin, daß die Ernte dieses Jahr gut sein wird?
    – Allen Anzeichen nach, ja. Der Winter ist nicht gar so streng gewesen, und seit dem Frühjahre haben wir mehr sonnige als regnerische Tage gehabt. Gott gebe, daß das noch drei Monate so fortgeht, dann liefert die Ernte reichlich die Abgaben und den Pachtzins.«
    Immerhin gab es Feinde, die nicht zu vernachlässigen waren: die gefräßigen Vögel, die auf den Feldern Irlands umherschwärmen. Von den Schwalben, die während ihrer kurzen Anwesenheit hier blos Insecten verzehren, war ja nicht zu reden. Dagegen verursachten die frechen, nimmersatten Sperlinge und auch die Krähen dem Landmann hier sehr fühlbaren Schaden.
    Die abscheulichen Vögel versetzten Findling förmlich in Wuth, und dabei schien es noch, als ob sie sich über ihn lustig machten. Wenn er seine Schafe nach der Weide trieb, flatterten sie in schwarzen Schaaren empor und flogen mit scharfem Geschrei, die Füße herabhängend, davon. Es waren Vögel von enormer Spannweite, deren große Flügel sie sehr schnell hinwegtrugen. Findling verfolgte sie hitzig und hetzte auch Birk auf sie, der dann bellte, bis ihm der Athem verging. Was war aber gegen die Räuber, denen man sich nicht nähern konnte, zu beginnen? Sie narren einen noch auf zehn Schritte Entfernung; dann tönt’s »Krroa… krroa!« und die Wolke zerstäubt.
    Am meisten ärgerte es Findling, daß die inmitten des Getreides aufgestellten Vogelscheuchen offenbar gar nichts nützten. Sim hatte ganz entsetzlich aussehende Männer mit ausgestreckten Armen fabriciert, deren zerrissene Bekleidung sich bei jedem Windhauch bewegte. Kinder hätten sich vielleicht davor gefürchtet… die Krähen?… Nicht im geringsten! Vielleicht konnte man eine noch mehr erschreckende und nicht so stumme Vorrichtung ersinnen; dieser Gedanke kam unserm kleinen Helden nach langer Ueberlegung. Wohl bewegt die Vogelscheuche bei genügendem Winde scheinbar die Arme, doch sie spricht, sie schreit nicht; hierin mußte sie vervollkommnet werden.
    Ein vortrefflicher Gedanke, wie jeder zugeben wird, und um ihn auszuführen, hatte Sim am Kopfe der Gestalt nur eine Schnarre anzubringen, die vom Winde mit Geräusch gedreht wurde.
    Wenn die Krähen darüber an den beiden ersten Tagen zwar nicht zu erschrecken, doch aber erstaunt zu sein schienen, so achteten sie am dritten Tage schon gar nicht mehr darauf, und Findling sah sie sich ruhig auf den Zappelmann setzen, dessen Schnarre mit ihrem Gekrächz nicht wetteifern konnte.
    »Entschieden ist nicht alles vollkommen hienieden!« dachte der Knabe.
    Im übrigen ging auf der Farm alles den gewohnten Gang. Findling war so glücklich wie möglich. An den langen

Weitere Kostenlose Bücher