Der Finger Gottes
Sicherheit wiegen. Wäre da nicht Höllerichs Vater gewesen. Auch wenn die Vandenbergs nicht direkt für den Unfall verantwortlich waren – sie bedienten ja nicht selbst die Maschinen –, so trugen doch sie in den Augen von Höllerichs Vater ganz eindeutig die alleinige Schuld. Sie hätten von vornherein für ausreichende Sicherheitsvorkehrungen sorgen oder zumindest später zu diesem Unfall stehen müssen. Es dauerte immerhin vier Jahre, bis sie sich dazu entschlossen, den Sicherheitsstandard zu erhöhen.
Höllerichs Vater hat leider den Fehler begangen, einen seiner Vorgesetzten über die Unterlagen zu befragen. Man hat wohl versucht, mit ihm zu reden, man hat ihm also ein entsprechendes Schweigegeld angeboten, aber er weigerte sich und bestand darauf, daß die Öffentlichkeit über jedes Detail informiert wurde.
Nur zwei Tage später geschah dann dieser Autounfall, der, wie Höllerich wohl zu Recht annahm, manipuliert war. Es passierte nämlich auf einer kerzengeraden, nur wenig befahrenen Straße, auf der sonst nur wenige Autos verkehrten. Der Wagen ist nie untersucht worden, sondern gleich in die Schrottpresse gekommen. Dieser Unfall machte Höllerich zu einem Waisen, der von da an von seiner Großmutter großgezogen wurde.
Als Höllerich alt genug war, hatte er nur eines im Sinn, nämlich den Tod seiner Eltern zu rächen, denn sein Vater hatte ein Tagebuch geführt, in dessen Besitz Höllerich wohl eher zufällig gelangte, als er etwa achtzehn war.
Er hatte einen festen Plan – er wollte die Mörder seinerEltern töten. Er hat alles daran gesetzt, mit den Vandenbergs in Kontakt zu kommen. Und Csilla war sein Opfer. Er hat sich ganz bewußt an sie rangemacht, um über sie die Verbindung zur Familie herzustellen. Alles ging wunderbar glatt, fast zu glatt. Csilla wurde sogar schwanger von ihm. Aber die Vandenbergs haben, wen wundert’s, die wahre Identität von Höllerich rausbekommen. Daß er in Wirklichkeit Hartmann hieß, wer seine Eltern waren, was seine Absichten anbetraf.
Sie haben es im Guten mit ihm versucht, davon bin ich überzeugt. Die Vandenbergs sind keine Mörder im klassischen Sinn. Aber eines Abends ist Höllerich einen entscheidenden Schritt zuweit gegangen. Er ist bei den Vandenbergs eingedrungen, nachdem er die Wachhunde vergiftet hatte. Doch das Sicherheitssystem auf dem Anwesen besteht aus mehr als nur den Hunden, das hätte er sich eigentlich denken können. Er ist entdeckt worden und mußte flüchten. Er suchte Zuflucht, und es war wohl eher ein Zufall, daß er die ausgerechnet bei Maria Olsen fand. Aber sich in Waldstein zu verstecken ist gar nicht so einfach. Ihm blieben nur noch wenige Stunden. Und in denen hat er Maria alles haarklein erzählt. Vielleicht hat er geahnt, daß er nicht mehr lange leben würde, wer weiß schon, was in seinem Kopf vorging! Vandenbergs Häscher sind in dieser Nacht von Haus zu Haus gegangen und haben sich nach dem Jungen erkundigt. Und sie haben Höllerich tatsächlich bei Maria aufgespürt und ihn mitgenommen. Und sie haben Maria Olsen gegenüber eine sehr deutliche Drohung ausgesprochen. Sie hatte keine Chance, denn die Drohung wurde auch noch polizeilich abgesegnet . . . Ihr Vorgänger, wenn Sie verstehen . . .«
»Woher kennen Sie die ganzen Details?«
»Maria Olsen hat noch in derselben Nacht alles aufgeschrieben. Alles, was der Junge gesagt hat, sie hat es mir gezeigt. Maria Olsen war eine sehr kluge Frau.«
»Das würde dann aber doch bedeuten, daß es kaltblütiger Mord war. Und Sie wußten das!«
»Nein, nein, wenn ich es gewußt hätte, ich . . .« Engler schwitzte, seine Hände verkrampften sich ineinander. Brackmann wußte nur zu gut, wie er sich fühlen mußte.
»Was dann? Hätten Sie etwas dagegen unternommen? Und was? Sie haben Ihre Zustimmung gegeben, daß Höllerich hier von Pickard, wie ich annehme, begraben wurde! In irgendeinem der vielen Gräber! Wahrscheinlich ohne Sarg, einfach nur ab in die Erde! Halb Waldstein steckt mit in der Sache! Und mein Vorgänger hat es gedeckt!« Brackmann hielt inne und schüttelte den Kopf. Er sah Engler direkt an, der wich seinem Blick aus. »Gibt es überhaupt einen einzigen Menschen hier, der die Vandenbergs nicht gedeckt hätte?«
»Brackmann, seien Sie nicht so zynisch! Sie haben nicht mehr den geringsten Grund dazu! Sie haben doch genauso Angst um Ihr Leben gehabt wie alle hier! In Ihren Wünschen und Träumen haben Sie sich vielleicht als Held gesehen, in Wirklichkeit aber hat Ihr
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