Der Finger Gottes
sie mitnähme . . . Die Männer sahen übrigens alles andere als vertrauenerweckend aus.«
»Das sind sie auch nicht. Hör zu, die Frauen dürfen unter gar keinen Umständen wieder zu euch zurück. Kannst du Hans irgendwie erreichen?«
»Nein, eigentlich nicht . . . höchstens über das Handy, aber er hat es meistens im Auto liegen. Aber ich werde es probieren. Was soll ich ihm sagen?«
»Kennst du jemand, bei dem sie für eine kurze Zeit, eine Woche vielleicht, untertauchen könnten?«
»Ja, kenne ich. Eine Freundin meiner Mutter, die sich immer über Gesellschaft freut. Sie wohnt allerdings in einem Dorf in der Nähe von Leipzig.«
»Das macht nichts, im Gegenteil. Wenn es geht, bring die Frauen so schnell wie möglich dorthin. Alles Weitere wird sich dann ergeben. Ich kann jetzt keine großen Erklärungenweiter abgeben, ich melde mich nächste Woche wieder. Und nochmals tausend Dank, ich stehe ewig in deiner Schuld.«
Er legte schnell auf, schloß für Sekunden die Augen. Er hatte einen weiteren Kardinalfehler gemacht. Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, daß er Csilla und Sarah vergessen hatte. Die Übelkeit packte ihn wieder. Er fühlte sich miserabel.
Kapitel 43
Engler war allein in der Kapelle, niemand half ihm, die letzten Vorbereitungen für die Trauerfeier zu treffen, der Meßdiener war bei dem Tornado getötet worden, die anderen potentiellen Helfer waren entweder mit sich selbst beschäftigt oder leisteten Nachbarschaftshilfe. Brackmann setzte sich auf eine Kirchenbank, stützte die Arme auf die Lehne vor ihm und beobachtete Engler bei seiner Arbeit. Nach einer Weile sagte er: »Heißen Sie mich willkommen im Club.«
»Wovon reden Sie?« fragte Engler, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
»Ich habe keinen Brief mehr.«
»Ich verstehe noch immer nicht . . .«
»Sie haben mich gekauft. Ich hatte die Wahl, entweder den Brief oder . . .«
»Sie haben gedroht, Sie zu . . . beseitigen?« Engler schaute auf, kam auf Brackmann zu und blieb vor ihm stehen. Er sah auf ihn herab.
»Nein, nicht direkt, aber ich wußte zumindest, was sie meinten. Sie haben den Brief, aber sie haben nicht Csilla und Sarah. Und ich weiß immer noch nicht, warum Höllerich sterben mußte. Eigentlich könnten Sie es mir jetzt sagen.«
»Warum?«
»Ich möchte einfach nur gern die komplette Geschichte kennen. Sie können mir nichts vormachen! Ich weiß hier drin«, er klopfte sich mit der Faust auf die linke Brustseite, »hier drin weiß ich, daß Sie die ganze Wahrheit kennen. Und daß Sie sie verschweigen. Hören Sie, ich kann absolut nichts mehr damit anfangen, ich möchte nur wissen, ob sich der Deal für mich gelohnt hat.«
Engler setzte sich auf die Bank auf der andern Seite des Ganges, gegenüber von Brackmann.
»Ich sehe zwar keinen Sinn dahinter, aber gut, wenn Sie unbedingt die Wahrheit wissen wollen, bitte schön!« Engler faltete die Hände, preßte die Lippen aufeinander. »Wissen Sie, Höllerich könnte noch leben, wäre er nicht so impulsiv gewesen. Aber er war ein Hitzkopf, er wollte unbedingt beweisen, daß er den Vandenbergs Paroli bieten konnte. Nun, Höllerich machte die Vandenbergs für den Tod seiner Eltern verantwortlich. Er war elf, als sie bei einem Autounfall starben. Bis zu diesem Zeitpunkt bekleidete sein Vater eine mittlere Position in dem
VanChem
-Chemiewerk der Vandenbergs. Bei einer Routineüberprüfung muß er wohl eher zufällig an geheime Unterlagen geraten sein, aus denen hervorging, daß Mitte der sechziger Jahre bei der Produktion hochgiftiger Pflanzenschutzmittel ein Unfall passiert ist, bei dem während des Produktionsvorgangs ein Großteil eines ebenfalls hochgiftigen Zusatzstoffs ungefiltert in die Luft gelangte. Zwei Arbeiter starben innerhalb eines Monats, zwei weitere waren arbeitsunfähig. In dem Stadtteil, in dem die größte Menge des Giftstoffs niederging, traten in den folgenden fünf Jahren mehr als zehnmal so viele Erkrankungen des zentralen Nervensystems sowie eine extrem hohe Zahl von Lymphdrüsen-, Schilddrüsen- und Blutkrebs auf, von den Schädigungen und zum Teil auch Mißbildungen bei Neugeborenen ganz zu schweigen. Aber damals gab es noch keineUmweltbewegung, die Konzernleitung hat die Angehörigen der zwei Arbeiter entschädigt, ansonsten wurde Stillschweigen gewahrt. Ein Arzt, der Bedenken angemeldet hatte, wurde mundtot gemacht. Es wurde alles unter den Tisch gekehrt, gedeckt wurde es von allerhöchster Stelle. Die Vandenbergs konnten sich in
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