Der Finger Gottes
BKA eingeschaltet habe?«
Martin Vandenberg lächelte wieder verzeihend. »So dämlich wären Sie nie gewesen! Welchen Beweis hätten Sie denn gehabt? Aber Sie scheinen tatsächlich etwas blauäugig zu sein. Was glauben Sie denn, was für Männer in diesen Ämtern sitzen?«
Brackmann blieb stehen, sah Vandenberg angewidert an. »Eine kleine Frage bitte noch – warum wurde der Steinbruch von einem Tag auf den andern geschlossen?«
»Ich weiß zwar nicht, was das mit Höllerich zu tun haben soll, aber bitte, wenn es Sie interessiert: Wir haben ihn nicht von einem Tag auf den andern geschlossen, die Schließung war von langer Hand vorbereitet. Die Vorarbeiter wußten das schon eine ganze Weile. Die Arbeit war unrentabel geworden, das ist alles. Zufrieden?«
»Natürlich, es war nur eine Frage.«
Obert hielt einen Füller in der Hand und reichte ihn Brackmann. Der nahm den Füller wortlos und setzte seine Unterschrift unter ein bereits aufgesetztes Dokument, das er nicht einmal mehr durchlas. Obert sprach kein Wort, sah Brackmann nur kurz und mit einer Spur Verlegenheit an und legte das Papier in eine Aktenmappe.
Danach unterschrieb Brackmann die Quittung. Er steckte den Scheck ein und wollte gehen. Martin schüttelte den Kopf und versperrte ihm den Weg. »Sie haben etwas vergessen. Schreiben Sie es auf, wenn es Ihnen ein besseres Gefühl gibt!«
»Was?«
»Kommen Sie, Brackmann, fangen Sie nicht wieder an zu spielen. Sie haben keine Chance!«
Mit zittriger Hand notierte er auf einem weißen Zettel den Aufenthaltsort von Csilla und Sarah. Zum ersten Mal, seit er in Waldstein lebte und die meisten Leute kannte und Obert immer als rechtschaffenen, ehrenhaften Bürger angesehen hatte, hätte er nur zu gerne in dessen widerliches Gesicht geschlagen. Seine Faust in diese verdammte Fresse donnern, diesen elenden, widerwärtigen Schweinehund zertrümmern, der wie alle anderen den Vandenbergs in den Hintern kroch.
Engler hatte recht behalten. Auch er gehörte jetzt zum Kreis der Korrupten. Die fette Made hatte ein neues Opfer gefunden. Er hatte sein Ziel nicht erreicht. Höllerich war tot, und Brackmann wußte noch immer nicht, warum er hatte sterben müssen.
Hunderttausend Mark, eine Summe, die er noch nie zuvor auf einen Schlag bekommen hatte. Hunderttausend Mark, er würde bald in Urlaub fahren, nach Italien vielleicht oder nach Spanien, ans Meer oder in die Berge mit ihren kristallklaren Bächen und Seen. Hunderttausend verdammte, elende Mark! Hunderttausend Mark für Verrat! Hunderttausend Judasmark!
Auf dem Weg nach draußen versuchte er Entschuldigungen für seine Kapitulation zu finden, sein Gewissen zu beruhigen. Vielleicht hatte Engler recht, vielleicht wäre es wirklich nur das Aufwirbeln alten Staubs gewesen. Die Vandenbergs waren großzügig, sie hätten das Geld nicht zuzahlen brauchen, sie hätten ihn genausogut beseitigen können.
Der Mercedes der Vandenbergs folgte in geringem Abstand. Brackmann schwitzte, obwohl die Nachtluft kühl war. Er fuhr bis vor sein Haus, der andere Wagen stoppte direkt hinter ihm. Zwei graugekleidete Männer stiegen aus, kamen langsam mit wiegenden Schritten auf ihn zu. Sie trugen maßgeschneiderte Sakkos, und obwohl es nicht zu erkennen war, war Brackmann sicher, daß darunter Pistolen steckten.
Brackmann ging vor den beiden Männern schweigend in das alte Haus, drückte den Knopf für die Flurbeleuchtung, stieg mit bleiernen Beinen die zwölf knarrenden Treppenstufen hinauf. Er schloß seine Wohnungstür auf, betätigte den Lichtschalter. »Sie wollen den Brief?« fragte er, worauf der etwas kleinere der beiden, ein leicht untersetzter, fast kahlköpfiger, etwa fünfzig Jahre alter Typ mit kleinen, hellblauen stechenden Augen, nickte und meinte: »Geben Sie uns den Brief und wir sind sofort verschwunden.«
Brackmann blieb mit dem Rücken zu den Männern stehen, senkte den Kopf und fragte: »Was, wenn ich Ihnen den Brief nicht gebe?«
»Sie wissen selbst, was dann geschieht. Also, tun Sie, was Herr Vandenberg gesagt hat.«
»Sie würden mich . . . töten?«
»Sie würden uns keine Wahl lassen.«
»Ist das der Stil, wie die Vandenbergs mit unliebsamen Personen verfahren?«
»Hören Sie, wir haben keine Zeit! Also machen Sie schon und rücken Sie den Brief raus!« sagte der kleine Mann ungehalten. Der andere verzog keine Miene.
Brackmann drehte sich um, der Wortführer hatte sein Sakko ein klein wenig zur Seite geschlagen, der Schulterhalfter lugte hervor.
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