Der Flatbootmann
eigentlich gar nicht so übel aus, und wenn ich auch eben nicht mit ihnen tauschen möchte - habe ich mir diese Negerdörfer doch eigentlich viel schlimmer gedacht. Guten Tag, Alter!« nickte er dabei freundlich einem der alten Leute zu, der mit schneeweißen Haaren nicht etwa im Schatten des Hauses, nein, an der brennenden Sonnenseite kauerte und dabei einen Haufen lärmender kleiner Burschen zu überwachen schien. »Wie geht's? Hast dir einen warmen Platz da ausgesucht.«
Der Alte sah ihn etwas erstaunt an, erwiderte aber kein Wort, machte eine demütige Verbeugung mit dem Oberkörper und schaute dann wieder still vor sich hin, während die Kleinen bei dem plötzlichen Erscheinen des fremden weißen Mannes, erschreckt auseinanderstoben und hinter oder in die verschiedenen Häuser fuhren.
»Hallo«, lachte der Bootsmann, erstaunt den kleinen Burschen nachschauend, »gebissen hätt ich euch nun gerade nicht. Wie die Kerle springen können! Der Alte ist aber zu faul, das Maul aufzutun, und brät sich hier in der Sonne noch den letzten Tropfen Fett aus, den er auf den mageren Rippen sitzen hat.«
Hier und da blieb er noch ein paarmal stehen, wo er solche einzelne Gruppen versammelt sah. Sein Erscheinen hatte überall denselben Erfolg, und er gab es zuletzt auf und schritt, ohne sich weiter um die Schwärme von kleinen schwarzen Gestalten zu kümmern, langsam zwischen ihnen hin. Da er sich jetzt dem Herrenhaus näherte, wurde seine Aufmerksamkeit auch mehr dorthin gelenkt, denn unwillkürlich suchten seine Augen wieder die schlanke, weißgekleidete Gestalt des jungen Mädchens, die er jedenfalls irgendwo auf der Veranda zu erblicken hoffte. Er war ziemlich fest entschlossen, den Platz nicht eher wieder zu verlassen, bis er sie wirklich noch einmal gesehen hätte, und mit weiter keiner bestimmten Beschäftigung für den heutigen Tag, blieb ihm Zeit genug dazu. Einmal mußte sie ja hier wieder irgendwo zum Vorschein kommen!
In der Nähe des Hauses glitten ein paar Neger scheu und rasch an ihm vorüber, aber er achtete nicht besonders auf sie. Andere sah er in einer niedrigen Einfriedung, die den Garten zu umschließen schien, versammelt, und hier mußte jedenfalls irgend etwas Außergewöhnliches vorgehen, denn er hörte auch ein paar ärgerliche Stimmen und bittende Laute einer Frauenstimme dazwischen. Jack kannte dabei die Gebräuche des Südens nicht: daß es Pflanzer dort nicht gern sehen, wenn sich Fremde in ihren eingefaßten Grundstücken herumtreiben, und daß es sogar streng verboten ist, mit den Negern zu verkehren. Im Norden geht jeder, wohin es ihm gerade gefällt; und so schlenderte denn auch Jack, ziemlich unbekümmert darum, ob das jemandem recht war oder nicht, langsam dorthin zu, wo er die lauten Stimmen hörte und wo ihn bald Staunen und Überraschung an die Stelle fesselten.
Er hatte sich jetzt dem eigentlichen Hauptgebäude der Plantage, dem Herrenhaus, genähert, das mit seiner luftigen, blumengeschmückten Veranda unendlich freundlich aus dem dunklen Laub der Orangen, Granaten und den tausend Blüten der Tulpen und Chinabäume hervorschaute. Oben auf der Veranda erkannte sein rasch und forschend dort hinaufgeworfener Blick auch gleich zwei hellgekleidete Frauengestalten, die eine ein junges, blühendes Mädchen von kaum sechzehn Jahren, die andere, augenscheinlich ihre Schwester, aber vielleicht sechs Jahre älter als sie. Das junge Mädchen aus dem Sumpf war nicht zwischen ihnen, er konnte sie auch nirgendwo oben an einem der Fenster entdecken.
»Oh, schlagt mich nicht!« bat da eine leise, klagende Stimme, gar nicht weit von ihm entfernt aus der Gruppe heraus, die im Garten stand, und die er bis jetzt noch gar nicht beachtet hatte, und ein erschrecktes »Alle Teufel!« entfuhr fast unwillkürlich den Lippen des Bootsmannes, als er das schöne Mädchen aus dem Sumpf dort mit tränenden Augen und gebundenen Händen, unter den rohen Fäusten von ein paar Negern sah. Die scheu in der Nähe stehenden Schwarzen schauten sich allerdings rasch und erstaunt nach ihm um, aber er sah und hörte in diesem Augenblick nichts weiter als die zitternde Gestalt der Maid, und das Blut schoß ihm dermaßen aus dem Herzen hinauf ins Angesicht, daß es ihm vor den Augen flimmerte, während die Rechte fast krampfhaft die auf der Schulter liegende Büchse umklammerte.
»Schlagt mich nicht, ich bin ja unschuldig!« bat da das Mädchen noch einmal. »Der Alligator lag dicht vor mir ich hatte ihn nicht gesehen, und
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