Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
sein Eigentum - nein, frei - in die Welt hinausführen und das arme mißhandelte Kind zum erstenmal in ihrem Leben glücklich sein durfte.
    »Paß auf, Jack, paß auf!« rief ihm der Alte da vom Steuer aus mahnend zu und weckte ihn aus seinen süßen Träumen.« Du vergißt ja das Rudern, Mann. Wenn wir erst an der Spitze dort vorüber sind, könnt ihr euch ausruhen, soviel ihr wollt.«
    Jack erschrak ordentlich und legte sich wieder mit aller Kraft in das Ruder, daß sich das elastische Holz unter seinem Gewicht bog. Der Alte aber sah schon nicht mehr nach ihm hin; sein Auge haftete an einem hellen Gegenstand, der sich vom dunklen Ufer loszulösen schien.
    »Da kommt ein Kanu oder Boot auf uns zu«, sagte da Bill, der zunächst dem Alten sein Ruder mit der Schulter vorwärtsdrückte, »dort gleich über der Spitze, Kapitän.«
    »Ich hab' es schon gesehen, Bill«, erwiderte dieser, »möchte nur wissen, was sie wollen. Etwa zu uns herüber?« Vom Ufer ab schoß jetzt ein kleines, schmales Kanu gerade auf sie zu, und Bill sagte halblaut: »Verdammt will ich sein, wenn da nicht ein einzelnes Weib drinsitzt!«
    Auch die übrigen Leute waren jetzt aufmerksam darauf geworden, durften aber nicht mit dem Rudern aufhören, da sie sich fast dicht an der Landspitze befanden - nur noch ein Büchsenschuß, und sie waren vorüber, während die hier gerade sehr starke Strömung sie reißend schnell darauf zu führte. Das Kanu war indessen dicht vor ihrem Bug vorbeigefahren; vergebens schauten sie sich aber auf der anderen Seite danach um - es kam dort nicht wieder zum Vorschein, und der Alte durfte sein nach rechts hinübergedrücktes Steuerruder nicht verlassen, um zu sehen, was daraus geworden wäre.
    Jetzt passierten sie glücklich die Landspitze, die kaum fünfzig Schritt an ihrer Rechten liegenblieb. Ein Reiter hielt dort an - sie konnten die Gestalt des Pferdes und des Mannes darauf auf dem hohen Damm gegen den helleren Himmel deutlich erkennen. Er winkte mit dem Arm und rief etwas herüber, aber die Worte verstanden sie nicht.
    »Was sagt er?« fragte Bill, zum erstenmal jetzt das Ruder ruhenlassend, indem er sich nach dem Alten umdrehte und den Schweiß von Stirn und Nacken trocknete.
    »Weiß nicht«, brummte dieser, mit dem Kopf schüttelnd, »ist auch gleichgültig. Wenn er uns hätte etwas sagen wollen, konnte er früher kommen, wie wir noch am Land waren. Jetzt ist's zu spät, und in einer Viertelstunde sind wir mehr drüben an der anderen Seite und in einem anderen Staat. Da drüben ist doch noch Mississippi, nicht wahr, Bill?«
    »Gewiß«, sagte der Bootsmann, »noch wenigstens für dreißig oder vierzig Meilen. Aber was ist aus dem Kanu vorhin geworden?«
    Der Alte hatte das Kanu fast ganz vergessen; jetzt aber, da er sein Steuerruder über den anderen Bug drückte, kam er auch damit mehr an die linke Seite seines Boots und sah über Bord.
    »Alle Wetter!« brummte er dabei. »Da liegt es - dicht unter dem vorderen Ruder längsseits. Was ist nun wieder im Wind, und wer sitzt drinnen?«
    Er hatte allerdings recht. Das Boot lag dicht an der Stelle des Flatboots an, und eine helle Gestalt kauerte darin, rührte sich aber nicht und hatte mit der Hand nur den vorderen niederen Ausbau oder Bug des Boots erfaßt, an dem sie sich festhielt:
    »Hm«, sagte Bill, der ebenfalls hinübersah, »das ist am Ende jemand, der ans andere Ufer oder ein Stück stromab will und hier bequeme Passage nimmt. Ich will aber gehängt werden, wenn's nicht wie ein Frauenzimmer aussieht.« Die übrigen waren jetzt ebenfalls an den Rand des Boots getreten, und Jack, der gerade über dem Kanu stand, zuckte, wie vom Blitz getroffen, zusammen. Die Gestalt im Boot war allerdings eine weibliche, aber der helle, ihm zugedrehte Rücken zeigte dunkle Flecken - heiliger Gott! Wenn jenes Mädchen... Kaum seiner Sinne mächtig, sprang er vorn in den Bug hinab, wo er den Vorderteil des Kanus erreichen konnte, ergriff ein in diesem liegendes kurzes Tau, das zum Anhängen desselben benutzt wurde, und befestigte es sicher an Bord. Jetzt, da keine Gefahr mehr war, daß es abgleiten konnte, fragte er laut:
    »Wer ist da drinnen? Wollt Ihr zu uns an Bord?«
    Da hob das Mädchen das bleiche, vom Mond jetzt hellbeschienene Angesicht empor und flüsterte mit bittender, zitternder Stimme:
    »Oh, verratet mich nicht - rettet mich, rettet mich um des Heilands willen!«
    »Was ist da los?« sagte in diesem Augenblick der Alte, der sein Steuer an Bill gegeben hatte und

Weitere Kostenlose Bücher