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Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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horchte nach unten - dort war alles ruhig. Er konnte hören, wie die Frau die Töpfe rückte und mit den Tassen klirrte - aber kein Wort wurde mehr gesprochen. Diese Stille und Ungewißheit war ihm peinlicher als die furchtbarste Gewißheit, und er sprang endlich auf, um seine fieberheiße Stirn dem kalten Nachtwind entgegenzuhalten. Plötzlich horchte er erschreckt empor. Über dem stillen Strom konnte er deutlich die regelmäßigen Ruderschläge eines hinter ihnen dreinrudernden Boots hören. Waren das schon die Verfolger? Todesangst erfaßte ihn, als ob er selber ein Verbrechen begangen hätte, und er sprang an den hinteren Teil des Fahrzeugs, um dort besser ausmachen zu können, wohin sich das fremde Boot wendete und welchen Kurs es nehme.
    »Na, Jack«, sagte Bill, der dort noch am Steuer stand, »hast du unseren Besuch gesehen? Wer ist es denn eigentlich?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete, die Worte kaum hörend, der junge Mann, »wo hinaus ist das Boot, das hinter uns war?«
    »Es wird über den Strom wollen, die Ruderschläge klangen wenigstens so. Jetzt hör ich aber auf einmal gar nichts mehr davon, sie müssen still liegen - ha, da sind sie wieder!«
    Die Leute in dem Boot hatten jedenfalls kurze Zeit mit dem Rudern aufgehört, jetzt fingen sie wieder an, und das regelmäßige Knarren der Riemen, die sich in den hölzernen Dollen bewegten, klang deutlich zu ihnen herüber.
    »Sollte mich gar nicht wundern«, sagte da der Alte, der zu ihnen getreten war, »wenn die Leute da drüben hinter der Mamsell unten her wären. Muß doch jedenfalls erst einmal hören, was damit los ist, damit man weiß, was man sagen soll, wenn sie kommen.«
    Der Alte drehte sich langsam um, nach vorn zu gehen, und Bill brummte:
    »Weiß, was man sagen soll? Da wird nicht viel zu sagen bleiben. Das Kanu da vorn sehen sie doch jeden Augenblick und wissen dann gleich, daß wir Besuch haben.«
    »Hast recht, Bill«, rief Jack, der daran gar nicht gedacht, »das werde ich aus dem Weg bringen. Um Gottes willen, verratet das Mädchen nicht. Es ist eine Unglückliche, die wir verbergen müssen.«
    »Hallo«, lachte Bill, als Jack nach vorn sprang, um seinen Plan auszuführen. »Jack hat den ganzen Tag das Maul nicht aufgetan, und jetzt ist er auf einmal Feuer und Flamme. Nun, ich verrate sie schon nicht. Ist auch eine Sache, die mich nichts angeht - das mögen die da unten abmachen.«
    Jack war indessen zu dem vorn angehängten Kanu gesprungen, nahm das kleine leichte Ruder an Bord und trat dann nur auf den einen Rand des schwankenden Fahrzeugs, daß es sich von dortherein füllen konnte. Im Nu war das geschehen, das Wasser lief hinein, und das Kanu sank bis an den Rand unter. Im Schatten des großen Boots ließ es sich solcherart nur erkennen, wenn man dicht daneben war und den Platz wußte, auf dem es lag.
    Poleridge war indessen in seine kleine Kajüte untergetaucht. Wenn er aber auch erst die Absicht gehabt hatte, seinen Schützling etwas näher ins Auge zu fassen, sah er bald die Unmöglichkeit ein. Mrs. Poleridge wirtschaftete nämlich gar geschäftig mit dem kleinen Kochofen, um den versprochenen Tee für die Fremde herzustellen, und diese saß hinter ihr auf dem niederen Stuhl, den Kopf gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet. Die kleine Lampe, die in dem engen Raum hing, fiel aber voll auf die bleichen, wunderlieblichen Züge der Fremden, und der Yankee, sonst eben nicht gerade zarter Natur, fühlte sich doch ganz eigentümlich von dem leidenden Engelsgesicht bewegt.
    »Hören Sie einmal, Miß«, sagte er endlich und erschrak ordentlich, als sie die großen Augen fragend zu ihm aufschlug, »ich - ich wollte Sie nicht gern stören, aber da draußen fährt ein Boot im Strom herum, das mir gerade solche Bewegungen macht, als ob es Ihr Kanu suchte. Möglich, daß die Leute auch hier an Bord kommen, ja sogar sehr wahrscheinlich, und da wollte ich Sie denn nur einfach fragen, ob es Ihnen vielleicht recht ist, wenn sie erfahren, daß Sie hier sind. In dem Fall könnte man sie auch vielleicht anrufen.« Das Mädchen hob die Hände bittend zu ihm empor und sagte mit ihrer sanften, klagenden Stimme leise nur die Worte:
    »Wenn Sie mich verraten, bin ich verloren.«
    »Hm«, brummte der Händler kopfschüttelnd, »also so stehen die Sachen - aber wie, um Gottes willen...«
    »Na, laß das arme Kind nur jetzt zufrieden«, sagte die Frau. »Nachts läßt du ja doch kein fremdes Boot an Bord heran, wer weiß denn auch, was für Gesindel

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