Der Flatbootmann
drinnen sitzt, und daß die Raubbande doch noch hier und da am Mississippi besteht, dächt ich, hättest du weiter oben zur Genüge gehört. Wenn sie was wollen, sollen sie am hellen Tag kommen, und bis dahin sind wir schon ein tüchtiges Stück stromab. Du siehst doch, wie sich das arme Ding da ängstigt und abquält.«
»Nu, nu«, lächelte der Mann, sie beruhigend, »das gehört gerade nicht mit zu meinem Geschäft, daß ich bei Nacht und Nebel junge Mädchen entführen helfe; wenn du's aber absolut so haben willst, kann's mir auch recht sein. An Bord sollen uns die Burschen schon nicht kommen, dafür werd ich sorgen und bin nur neugierig, was sie vorgeben werden. Übrigens kommen sie näher, wenn ich nicht irre. Na, fürchten Sie sich nicht«, sagte er dann weit freundlicher, als es sonst gerade seine Sitte war, zu seinem Schützling, als er sah, wie die Fremde ängstlich zusammenzuckte. »Wen der alte Poleridge nicht gutwillig herausgeben will, den können sie mit einem Boot voll Nigger nicht holen, so viel ist sicher.« Und ziemlich entschlossen die Hände in die Tasche schiebend, stieg er langsam wieder an Deck. Kaum hatte er übrigens die Kajüte verlassen, und sein schwerer Tritt drückte noch über den Frauen auf das rundgebogene Bretterdeck des Boots, als sehr zu Mrs. Poleridges Erstaunen Jack in den Raum glitt und wie unschlüssig vor ihr stehenblieb. Von den Leuten kam nie jemand um diese Zeit noch zu ihnen herein, ausgenommen, wenn sie zur Koje gingen und dann durchpassieren mußten, oder vielleicht bei heftigem Regen, um vorn unterzutreten. Die alte Dame drehte sich denn auch etwas erstaunt gegen den jungen Mann um und sagte:
»Nun, Jack, was bringt Ihr? Ist das Boot da?«
»Mrs. Poleridge«, sagte da Jack, und ordentlich mit Gewalt mußte er die Worte aus der Kehle pressen, »ich - ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen - hören Sie mich ruhig an.«
»Jesus, meine Güte, was ist Euch, Jack? » sagte die Frau, ihn erstaunt über ihre Brille betrachtend. »Was fehlt Euch denn, und Ihr seht aus...« Sie drehte sich nach der Lampe um, diese etwas höher hinaufzuschrauben. Als sie aber die rechte Hand zu dem Licht aufhob, sah sie erstaunt, daß sie ganz blutig war. »Na?« unterbrach sie sich bestürzt. »Was ist denn das? Blute ich denn, oder - um Gottes willen, liebes Kind, sind Sie...?«
Jack ließ sie nicht ausreden. Einen Schritt vortretend, ergriff er ihre Hand und flüsterte bittend:
»Hören Sie mich, beste Frau, und helfen Sie einer Unglücklichen, die ohne Sie verloren ist.«
»Aber, Jack - ich begreife Euch nicht -«, rief die alte Dame aufs äußerste erstaunt. »Mein Mann hat ihr ja schon seinen Schutz versprochen, und das arme Mädchen...«
»Ist eine Sklavin«, sagte Jack, und Mrs. Poleridge hätte bald einen Schrei ausgestoßen. Ihr Blick flog dabei nach der Unglücklichen hinüber; als er aber auf dem bleichen Antlitz der Armen haftete, sagte sie rasch:
»Unsinn, Mann, die ist so weiß wie Ihr und ich...«
»Und doch Sklavin«, stöhnte Jack, »aber hören Sie alles und urteilen Sie dann selbst... » Und mit hastigen, aber klaren, einfachen Worten erzählte er jetzt der die Hände in Angst und Bestürzung faltenden Frau die ganzen Erlebnisse des heutigen Tages, von denen er Zeuge gewesen war und die das Mädchen wahrscheinlich zu verzweifelter Flucht getrieben hatten.
6. Die Verfolger
Indessen hatte das fremde Boot draußen einen weiten Bogen um das Flatboot beschrieben und augenscheinlich den Strom nach irgend etwas abgesucht. Jetzt kehrte es zurück und hielt gerade auf sie zu. Deutlich konnten sie schon von Bord aus die im Mondlicht blitzenden Ruder, wenn sie aus dem Wasser gehoben wurden, erkennen, und bald war das kleine schlanke Fahrzeug ihnen so nahe, daß sie imstande waren, die darin Sitzenden zu zählen. Es waren vier Mann an den Rudern und einer am Steuer; die ersteren jedenfalls Neger, der Steuernde dagegen ein Weißer.
»Hallo, das Boot!« rief da eine rauhe Stimme das Flatboot an.
»Hallo, das Boot!« wiederholte fast mechanisch der alte Poleridge, der neben Bill am Steuerruder stand.
»Habt Ihr ein Kanu gesehen, das an Euch oben an jener Landspitze vorbeigerudert ist?« wurde wieder gefragt.
»Die Stimme kommt mir bekannt vor«, brummte der Alte leise vor sich hin und rief dann laut: »Was für ein Kanu?«
»Was für ein Kanu?« wiederholte ärgerlich der im Boot. »Nun, zum Teufel denn, ein Kanu mit einem einzelnen Mädchen drin!«
»Hm, so! Nein«,
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