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Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Schande gebrandmarkt wird, wo nicht ein solches Gesindel die Peitsche mehr über ein unglückliches Volk schwingen darf! Doch fort mit den Gedanken - bleibe dicht hinter mir, mein wackeres Mädchen, und halten deine Kräfte nur noch ein paar kurze Stunden aus, so denk ich, haben wir das Schlimmste überstanden.«
    Rasch griff er wieder seine zusammengeschnürte Decke, in die er ihren Proviant gewickelt hatte, vom Boden auf, nahm seine Büchse und schritt durch den dunklen, jetzt nicht einmal mehr vom Mond erhellten Wald. Vorsichtig wählte er dabei jede nur einigermaßen lichte Stelle, und wo es ihm die dichten Wipfel erlaubten, blieb er stehen, um nach den Sternen seine Bahn zu finden. Sorglich half er dabei dem Mädchen über jeden in ihrer Richtung liegenden umgestürzten Stamm, führte sie durch hier und da eingerissene Gräben und rückte, wenn auch langsam, doch weiter und weiter mit ihr vor.
    So mochten sie zwei volle Stunden gewandert sein, und Jack hatte sich jetzt am Rand eines Schilfbruchs gehalten, wo das Unterholz nicht so dicht stand. Da erreichte er plötzlich einen kleinen freien Platz, und wo er ihn betrat, verkündete ein durch Menschenhand gefällter Baum die Nähe einer Wohnung.
    Rasch bog er sich nieder, mit der Hand den Boden fühlend; und mit dem Jubelschrei: »Ein Weg! Ein Weg!« sprang er wieder empor.
    »Ist hier ein Weg?« fragte das Mädchen, das schon an seiner Seite stand.
    »Ja, mein Herz, ein Fahrweg noch dazu, auf dem die Leute jedenfalls ihr Holz zum Strom geschafft haben, und hier sind wir vom Ufer auch gar nicht mehr so weit entfernt. Hörst du den Dampfer, der dort drüben den Mississippi herunterbraust? Wenn wir die Richtung jetzt genau wüßten, in der das Haus liegt, könnten wir es vielleicht in kurzer Zeit erreichen.«
    »Dort bellt ein Hund«, rief Sally plötzlich, des jungen Mannes Arm ergreifend und nach hinüber deutend, wo sie geglaubt, daß sie den Laut gehört.
    »Dort läutet die Glocke!« schrie Jack jubelnd. »Das Dampfboot legt an, Holz einzunehmen, und in fünf Minuten wissen wir, woran wir sind.«
    »Aber es geht den Strom hinab«, sagte schüchtern das Mädchen.
    »Und was tut's?« lachte Jack, die Brust von neuer Zuversicht gefüllt. »Ich bin gern im Wald, Herz, und nie glücklicher, als wenn ich die grünen Wipfel über mir rauschen höre. Der letzte Marsch hat mir den Wald aber auf ein paar Tage verleidet, und mit den tiefen Spuren, die wir dort im weichen Boden hinterlassen, ist es am Ende auch besser, wir machen, daß wir hier fortkommen. Gebe der Himmel, daß wir's zur rechten Zeit auch noch erreichen!«
    Wieder schlug die Glocke draußen an. Deutlich konnten sie die scharfen Töne herüberschallen hören, und Jack wußte recht gut, daß dieses Zeichen in der Nacht nur dann gegeben wird, wenn entweder Passagiere zu landen sind oder das Boot Holz einnehmen will. Das erstere war hier nicht wahrscheinlich, denn der dichte Wald verkündete keine Plantage, und nahm das Boot wirklich Holz, so behielten sie auch Zeit genug, den Platz zu erreichen. Vor allen Dingen mußten sie jetzt die Richtung genau wissen, in welcher der Dampfer anlegen würde, und ob sie dem gefundenen Weg hier folgen könnten. Darüber sollten sie auch nicht lange im Zweifel gelassen werden. Wieder gab die Glocke ein paar kurze Schläge, und kaum fünf Minuten später hörten sie das scharfe Zischen des ausgelassenen Dampfes.
    »Hurra, jetzt haben wir's! » lachte Jack in wilder Fröhlichkeit. »Und nun vorwärts, Kind - noch eine kurze Strecke, und wir sind am Ziel.«
    Rüstig schritt er auf dem Weg hin, und schon sahen sie eine weite Lichtung vor sich, in der sie die dort vielleicht begonnene Farm zu erreichen hofften. Da sah Jack plötzlich die Sterne vor sich im Weg von einem Wasserspiegel widerflimmern und erkannte zu seinem Schreck, daß sie an einem breiten Sumpf standen, der zwischen ihnen und dem Ufer lag.
    »Alle Teufel!« murmelte er leise vor sich hin. »Das ist eine schöne Geschichte, so dicht am Ziel, und der verdammte Sumpf.«
    »Solche Stellen wimmeln von Alligatoren«, stöhnte entsetzt das Mädchen, während Jack, der eben denselben Gedanken gehabt, sich bestürzt hinter dem Ohr kratzte.
    »Ja, ich weiß, mein Herz«, brummte er leise zwischen den Zähnen hindurch. »Deren Bekanntschaft haben wir heute schon einmal gemacht.«
    Wieder zischte der Dampf aus dem Boot, und über die offene Waldstelle herüber klang es, als ob es kaum fünfhundert Schritt entfernt liegen

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