Der Flatbootmann
den rauhen Weg so gut als möglich zu erleichtern, bis sie das Ufer weit, weit hinter sich gelassen.
Sally war ihm, ohne eine Frage zu tun, ohne eine Klage auszustoßen, durch Schilf und Sumpf und über umgebrochenes Holz gefolgt. Da plötzlich blieb er stehen, warf seine Decke zu Boden, lehnte die Büchse an einen umgestürzten Stamm, neben dem sie standen, und sagte freundlich:
»Nun, mein Kind, sind wir deinen unmittelbaren Verfolgern wenigstens entrückt, und wie's nun weiter kommen mag, müssen wir versuchen. Aber hast du Kraft, mir noch ein paar Stunden lang durch dies Gewirr von Schilf und Unterholz zu folgen?«
»Ja«, sagte das arme Mädchen leise, »wohin Ihr mich führt; ich will nicht fragen, was und wie Ihr's tut.«
»O nein, mein Herz, so war es nicht gemeint«, sagte der junge Mann lachend, »du sollst allerdings genau wissen, was ich zu tun gedenke; ob es uns glückt, steht freilich in Gottes Hand. Nun höre: Dadurch, daß ich den Burschen von unserem Kanu zurückscheuchte, sind sie natürlich der Meinung, daß wir ihnen mit dem und zu Wasser noch entgehen wollen. Sie wissen auch ziemlich genau, wie wild diese Wälder sind, und können sich nicht denken, daß ein Fremder seinen Weg hindurch finden würde. Der Wald aber ist meine eigentliche Heimat und ein alter Freund, und einen besseren Führer könntest du dir nicht wünschen.«
»Aber die Verfolger werden nach der nächsten Plantage rudern und dort die Leute auf unsere Fährte setzen.«
»Wenn sie das diese Nacht beabsichtigen, wären wir jetzt schon wieder im Kanu unterwegs«, sagte Jack, »und hätten's dann gewiß viel bequemer. Wie die Sache aber jetzt steht, haben sie ihr Boot draußen an den Büschen festgemacht und wollen dort jedenfalls, während sie den Tag abwarten, uns hindern, wieder auszulaufen. Das war auch das Gescheiteste, was sie tun konnten, denn bei Nacht dürfen sie nirgends anlaufen, wie niemand daran denken könnte, uns hier im Wald im Dunkeln zu verfolgen. Was sie für morgen früh beabsichtigen, weiß ich nicht, bis dahin aber, hoff ich, sind wir aus ihrem Bereich. Weiter unterhalb im Strom und kaum eine halbe Stunde Wegs von hier entfernt sah ich nämlich, gerade als ich mir einen Platz zum Landen suchte, ein schwaches Licht aus dem Wald schimmern. Dort liegt jedenfalls die Hütte irgendeines Holzfällers, die sich hier überall am Ufer niedergelassen, um Holz für vorbeikommende Dampfer aufzuklaftern. Alle diese Leute haben aber ein Boot oder Kanu an ihrem Haus, und wenn wir das erreichen, ehe die Sonne aufgeht, dann mögen sie hier oben sitzen und Wache halten nach Herzenslust, dann führe ich dich vor Tag einem freien und, will es Gott, glücklichen Leben entgegen.«
»Glücklich?« sagte seufzend das arme Mädchen. »Darf ich auf Glück noch rechnen?«
»Ja, mein Kind«, sagte da mit weicher Stimme der sonst so rauhe, wetterfeste Bursche, indem er des Mädchens Hand ergriff und hielt. »Ja, Sally, wenn wir all den Gefahren, die uns hier noch umgeben, glücklich entgehen, dann darfst du das und hast es mehr vielleicht verdient als tausend andere, die von ihrer Geburt an darin sich schwelgen. Jetzt aber fasse nur guten, frischen Mut, mein armes Kind! Du hast mir nun einmal dein Leben anvertraut, und daß es dich nie gereuen soll, lasse meine Sorge sein. Aber nun fort: Wir versäumen hier mit Schwatzen die schöne, kostbare Zeit und haben hier das Schlimmste vor uns - einen weiten Weg durch Dornen und Gestrüpp. Ich fürchte fast, es wird zuviel für dich.«
»Oh, sorgt Euch nicht um mich!« rief das Mädchen, und ihre Stimme klang in dem Augenblick zum erstenmal froh und sorgenfrei. »Ihr sollt sehen, wie rüstig ich Euch folgen werde, und jetzt, in diesem Augenblick, ist es mir auch fast, als ob ein schwerer Gram von meiner Seele genommen wäre. Guter Gott, ich habe noch nie in meinem Leben gewußt, wie einem Wesen zumute ist, um das ein anderes sich sorgt! Ihr seid der erste, der freundlich mir entgegentritt, von dessen Lippen ich keine harten, zürnenden Worte höre, und wenn ich jetzt auch meinen Peinigern wieder in die Hände fiele, wenn ich ein ganzes langes Leben durch für diesen einen glücklichen Augenblick büßen müßte - ich will nicht murren -, hab ich doch gelebt.«
»Du armes, armes Kind«, sagte Jack, »daß es solche Teufel mit menschlichen Fratzen gibt, die sich Gottes Ebenbild nennen und eine Hölle um sich schaffen! Aber die Zeit kommt vielleicht auch, wo diese Sklaverei als Fluch und
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