Der Fledermausmann
Repräsentanten der Hotelleitung. Ich reise heute ohnehin ab. Lassen Sie mich in Ruhe schlafen, bis ich auschecke.«
»Sie hätten bereits auschecken sollen, Mr. Holy«, sagte der von der Rezeption.
Harry blinzelte auf die Uhr. Es war Viertel nach zwei. »Wir haben versucht, Sie zu wecken.«
»Mein Flug . . .«, sagte Harry und versuchte die Beine aus dem Bett zu bekommen. Nach zwei Versuchen hatte er festen Boden unter den Füßen und stand auf Er hatte vergessen, daß er nackt war, und die beiden Hotelangestellten schrecken entsetzt zurück. Dann drehte sich nur noch alles, die Decke machte ein paar Loopings, er mußte sich wieder auf die Bettkante setzen – und begann zu kotzen.
BUBBUR
14 Ein Portier, zwei Rausschmeißer
und ein Typ namens Speedy
D er Kellner des Bourbon & Beef nahm die unangetasteten Eier »Benedicte« voller Mitleid wieder mit. Er war seit über einer Woche jeden Morgen hierhergekommen, hatte die Zeitung gelesen und gefrühstückt. Manchmal hatte er vielleicht müde ausgesehen, aber so mitgenommen wie heute hatte ihn der Kellner noch nie gesehen. Noch dazu war Harry erst gegen halb drei aufgetaucht.
»A hard night, Sir?«
Der Gast starrte unrasiert und mit roten Augen vor sich in die Luft. Neben ihm stand ein Koffer.
»Ja, ja, das war eine harte Nacht, ich hab verdammt . . . viel angestellt.«
»Good an ya. Dafür gibt es ja King's Cross. Haben Sie noch einen anderen Wunsch, Sir?«
»Danke, nein, ich muß mein Flugzeug bekommen . . .«
Der Kellner bedauerte das insgeheim. Er hatte begonnen, diesen ruhigen, etwas einsam aussehenden Norweger, der immer freundlich und großzügig gewesen war, zu mögen.
»Ja, ich habe Ihren Koffer bemerkt. Wenn das bedeutet, daß wir Sie hier für eine Weile nicht mehr sehen werden, möchte ich Sie bitten, heute unser Gast zu sein. Sind Sie sicher, daß ich Ihnen keinen Bourbon mehr anbieten kann, einen Jack Daniels? One for the road, Sir?«
Der Norweger schaute überrascht zu ihm auf Als habe der Kellner da etwas vorgeschlagen, auf das e4 der Gast, niemals gekommen wäre und das ihm jetzt so vollkommen richtig und selbstverständlich erschien.
»Geben Sie mir einen Doppelten, bitte.«
Der Besitzer des Springfield Lodge hieß Joe und war ein übergewichtiger,netter Kerl, der seit nunmehr zwanzig Jahren mit kluger Genügsamkeit sein kleines, heruntergekommenes Etablissement in King's Cross führte. Es war weder besser noch schlechter als andere Hotels der unteren Preisklasse in diesem Viertel, und es gab so gut wie keine Beschwerden. Einer der Gründe dafür war Joes Freundlichkeit. Ein anderer, daß er immer darauf bestand, daß sich die Gäste zuerst das Zimmer anschauten und er noch einmal fünf Dollar abzog, wenn sie länger als eine Nacht blieben. Der dritte und vielleicht wichtigste Grund aber bestand darin, daß es ihm irgendwie gelang, Rucksacktouristen, Alkoholiker, Junkies und Prostituierte fernzuhalten.
Selbst unwillkommene Gäste konnten nicht umhin, Joe sympathisch zu finden. Denn im Springfield Lodge wurde niemand von Kopf bis Fuß gemustert oder barsch aufgefordert, doch bitte zu gehen, sondern einfach mit einem bedauernden Lächeln und der Nachricht empfangen, daß leider kein Bett mehr frei sei, vielleicht aber in der nächsten Woche ein Zimmer frei werden und man dann gerne noch mal vorbeischauen könnte. Joes beträchtliche Menschenkenntnis und seine rasche Klassifizierung der Zimmersuchenden ermöglichten es ihm, dies ohne Zögern oder unsicheren Blick vorzubringen, und er hatte deshalb fast nie Ärger mit schwierigen Typen. Nur selten vertat sich Joe bei der Einschätzung, was für einen Menschen er vor sich hatte, und einige Male hatte er sich später sehr darüber geärgert.
Einige dieser Fälle huschten durch sein Gedächtnis, als er in Windeseile versuchte, die widerstrebenden Eindrücke, die der große blonde Mann vor ihm auf ihn machte, zu sammeln. Er trug einfache Qualitätskleider, die darauf deuteten, daß er Geld hatte, es aber nicht unbedingt ausgeben mußte. Daß er Ausländer war, war ein großer Pluspunkt, in der Regel machten die Australier die Probleme. Rucksackreisende mit Schlafsäcken waren oft gleichbedeutend mit wilden Festen und verschwundenen Handtüchern, dieser hier aber trugeinen Koffer, der zudem noch gut gepackt zu sein schien und nur so wenig abgenützt war, daß er wohl kaum jemandem gehören konnte, der sich konstant auf Reisen befand. Allerdings war der Mann unrasiert, seine
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