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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Haare hingegen schienen noch vor kurzem das Innere eines Friseursalons gesehen zu haben. Außerdem waren seine Nägel sauber und ordentlich geschnitten und seine Pupillen von ansatzweise normaler Größe.
    Die Summe all dieser Eindrücke und die Tatsache, daß der Mann eine Visa-Karte vor ihm auf den Tisch gelegt und sich als norwegischer Polizist ausgewiesen hatte, brachten es mit sich, daß ihm das übliche »Es tut mir wirklich leid, aber . . .« im Halse stecken geblieben war.
    Denn es gab keinen Zweifel, daß der Mann betrunken war. Und nicht einfach nur betrunken, sondern voll bis zum Anschlag.
    »Ich weiß, daß Sie wissen, daß ich ein paar Drinks intus habe«, sagte der Mann in einem nuscheligen, aber überraschend guten Englisch, als er Joes Zögern bemerkte. »Lassen Sie uns einmal annehmen, daß ich das Zimmer ruiniere, ja, lassen Sie uns ruhig davon ausgehen. Daß ich den Fernseher kaputtmache, den Spiegel im Bad und auf den Teppich kotze. Das wäre ja nicht das erste Mal. Reichen tausend Dollar als Kaution? Außerdem habe ich vor, mich so abzufüllen, daß ich kaum in der Lage sein werde, laute Geräusche zu machen, andere Gäste zu stören oder mich überhaupt allzu oft auf den Fluren oder hier an der Rezeption sehen zu lassen.«
    »Es tut mir wirklich leid, aber wir sind in dieser Woche leider voll belegt. Sie können aber gerne nächste Woche . . .«
    »Greg vom Bourbon & Beef hat mir Ihr Hotel empfohlen und mich gebeten, Joe zu grüßen. Sind Sie das?«
    Joe schaute den Mann lange an.
    »Sorgen Sie dafür, daß ich das nicht bereue«, sagte er und gab ihm den Schlüssel für Zimmer 73.
    »Hello?«
    »Hallo, Birgitta, ich bin es, Harry, ich . . .«
    »Ich habe Besuch, Harry, es paßt jetzt wirklich nicht.« »Ich wollte nur sagen, daß ich nicht wollte, daß . . .«
    »Hör mal, Harry, ich bin nicht böse, es ist kein Schaden entstanden. Es gibt zum Glück Grenzen, wie sehr einen ein Kerl, den man gerade erst eine Woche kennt, verletzen kann, aber ich möchte, daß du dich nicht mehr meldest. Okay?« »Nun, nein, eigentlich nicht . . .«
    »Wie gesagt, ich habe Besuch. Viel Glück für deine restliche Zeit hier und komm gut zurück nach Norwegen. Mach's gut.«
    »Tschüs.«
     
    Teddy Mongabi hatte es gar nicht gut gefunden, daß Sandra die ganze Nacht mit dem norwegischen Polizisten verbracht hatte. Für ihn roch das nach Ärger. Als er den Mann in der Darlinghurst Road mit weichen Knien und schlaff herabhängenden Armen auf ihn zukommen sah, wollte er deshalb spontan ein paar Schritte zurücktreten und in der Menge verschwinden. Seine Neugierde war aber zu groß, so daß er die Arme vor der Brust verschränkte und sich dem schwankenden Polizisten in den Weg stellte. Als der Mann versuchte, an ihm vorbeizugehen, packte ihn Teddy an der Schulter und drehte ihn herum.
    »Grüßt du deine Freunde nicht mehr, mate?«
    Mate sah ihn mit glasigen Augen an. »Der Zuhälter . . .«, sagte er ausdruckslos.
    »Ich hoffe, Sandra hat Ihren Erwartungen entsprochen, Konstabel.«
    »Sandra? Laß mich nachdenken . . . Sandra war gut. Wo ist sie?«
    »Sie hat heute abend frei. Aber vielleicht darf ich den Herrn Konstabel mit einer anderen verführen?«
    Der Polizist fing sich mit einem Schritt zur Seite auf. »Ja doch, ja doch, gerne! Los, Zuhälter, verführ mich!«
    Teddy lachte. »Hier entlang, Konstabel.« Er schob den betrunkenen Konstabel die Treppe zu dem Club hinunter. Sie setzten sich an einen Tisch mit Blick auf die Bühne. Teddy schnippte mit den Fingern, und sofort kam eine leichtbekleidete Frau an ihren Tisch.
    »Bring uns zwei Bier, Amy. Und sag Claudia, daß sie für uns tanzen soll.«
    »Die nächste Vorstellung ist erst um acht Uhr, Mr. Mongabi.«
    »Dann nennen wir es Extravorstellung, los jetzt, Amy!« »Tja dann, Mr. Mongabi.«
    Der Polizist hatte ein idiotisches Grinsen auf den Lippen. »Ich weiß, wer jetzt kommt«, sagte er. »Der Mörder. Jetzt kommt der Mörder.«
    »Wer?«
    »Nick Cave.«
    »Nick who? «
    »Und die blonde Sängerin. Die hat bestimmt auch eine Perücke. Hören Sie . . .«
    Die Discomusik war leise gestellt worden, und der Polizist hielt beide Zeigefinger in die Luft, als wolle er ein Symphonieorchester dirigieren, aber die Musik ließ auf sich warten.
    »Ich habe das von Andrew gehört«, sagte Teddy. »Wie schrecklich. Einfach zu schrecklich. Soweit ich verstanden habe, hat er sich erhängt. Kannst du mir verraten, was in aller Welt einen so lebensfrohen Kerl dazu bringen

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