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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Natürlichste von der Welt, mitten in der Nacht auf einem Hotelflur zu stehen und mit einem Kerl zu schwatzen, der offensichtlich nicht die Absicht hatte, sie hereinzulassen.
    Sie blieben stehen und schauten einander an.
    »Ist jemand bei dir?« fragte sie.
    »Ja«, sagte Harry. Ihre Ohrfeige klang wie das Zerbrechen eines trockenen Astes.
    »Du bist betrunken!« sagte sie. Tränen standen ihr in den Augen.
    »Birgitta, ich . . .«
    Sie gab ihm einen kräftigen Stoß, so daß er nach hinten ins Zimmer taumelte, und betrat dann selbst das Zimmer. Sandra hatte bereits wieder ihr Minikleid angezogen. Sie saß auf dem Bett und versuchte ihre Schuhe anzuziehen. Birgitta krümmte sich zusammen, als habe sie plötzlich Magenkrämpfe bekommen.
    »You whore!« schrie sie.
    »Richtig geraten«, sagte Sandra trocken. Sie nahm die Szene deutlich gelassener hin als die beiden anderen im Zimmer, bereitete sich aber dennoch auf einen schnellen Abgang vor.
    »Nimm dein Zeug und verschwinde!« rief Birgitta mit tränenerstickter Stimme und bewarf Sandra mit der Handtasche, die auf dem Stuhl lag. Sie landete auf dem Bett und der Inhaltfiel heraus. Harry stand nackt und leicht schwankend in der Mitte des Zimmers und sah zu seiner großen Verwunderung, daß plötzlich ein Pekinese auf seinem Bett saß. Neben dem haarigen Dingsbums lagen eine Haarbürste, Zigaretten, Schlüssel, ein grünschimmerndes Steinchen und die größte Auswahl an Kondomen, die er jemals gesehen hatte. Sandra himmelte verärgert mit den Augen, packte den Pekinesen im Nacken und stopfte ihn wieder in ihre Tasche.
    »Dann war'n da noch die Moneten, Süßer«, sagte sie.
    Harry rührte sich nicht, und so hob sie seine Hose vom Boden auf und holte die Geldbörse aus der Gesäßtasche. Birgitta war auf einem Stuhl zusammengesunken. Einen Augenblick lang waren nur das konzentrierte Zählen von Sandra und das halberstickte Schluchzen von Birgitta zu hören.
    »I'm outta hexe«, sagte Sandra, als sie zufrieden war, und verschwand durch die Tür.
    »Warte!« sagte Harry, aber es war zu spät. Die Tür fiel ins Schloß.
    »Warte?« fragte Birgitta. »Hast du ›warte‹ gesagt?« schrie sie und sprang vom Stuhl auf. »Du scheiß Hurensohn, du abgewichster Säufer. Du hast kein Recht . . .«
    Harry versuchte, die Arme um sie zu legen, aber sie wehrte ihn ab. Sie blieben wie zwei Ringer voreinander stehen. Birgitta sah aus wie in Trance; ihre Augen waren blank und blind vor Haß, und ihr Mund zuckte vor Wut. Harry dachte, daß sie ihn jetzt ohne zu zögern töten würde, wenn sie die Gelegenheit dazu hätte.
    »Birgitta, ich . . .«
    »Sauf dich doch um deinen Verstand und verschwinde aus meinem Leben!« Sie drehte sich auf dem Absatz um und rauschte durch die Tür. Der ganze Raum zitterte, als die Tür ins Schloß knallte.
    Das Telefon klingelte. Es war die Rezeption. »Was geht bei Ihnen vor, Mr. Holy? Die Dame in Ihrem Nachbarzimmer hat sich . . .«
    Harry legte auf. Eine plötzliche, wilde Wut packte ihn, und voller Zorn suchte er nach etwas, das er zerstören konnte. Hastig riß er die Whiskeyflasche vom Tisch und wollte sie an die Wand schmeißen, doch im letzten Moment besann er sich.
    Lebenslanges Training der Selbstbeherrschung, dachte er, öffnete die Flasche und setzte sie an den Mund.
     
    Schlüssel klapperten, und Harry erwachte davon, daß die Tür aufging.
    »No roomservice now, please come back later!« brüllte Harry in die Kissen.
    »Mr. Holy, hier ist die Hotelleitung.«
    Harry drehte sich um. Zwei Männer in Anzügen hatten das Zimmer betreten. Sie stellten sich in respektvollem Abstand zum Bett auf, machten aber dennoch einen höchst entschlossenen Eindruck. Harry erkannte den einen als denjenigen, der am Abend zuvor an der Rezeption gesessen hatte. Der andere fuhr fort:
    »Sie haben gegen die Hotelordnung verstoßen, Mr. Holy, und es tut mir leid, daß ich Sie auffordern muß, möglichst bald die Rechnung zu begleichen und unser Hotel zu verlassen.«
    »Hotelordnung?« Harry spürte, daß er sich bald übergeben mußte.
    Der Anzug räusperte sich.
    »Sie haben eine Frau mit auf das Zimmer genommen, von der wir annehmen, daß sie eine . . . Prostituierte ist. Außerdem haben Sie mit Ihrem Lärm in der vergangenen Nacht fast die ganze Etage aufgeweckt. Wir sind ein angesehenes Hotel und müssen uns deshalb gegen ein solches Verhalten verwahren. Das verstehen Sie doch sicher, Mr. Holy.«
    Harry grunzte als Antwort und drehte sich um.
    »Ist in Ordnung, ihr

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