Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
Buchstaben Harry Holy stand.
    »Von wem ist das?« fragte Harry verwundert.
    »Ich weiß nicht, ein Taxifahrer hat das hier vor ein paar Stunden abgegeben.«
    In seinem Zimmer legte Harry das Päckchen auf das Bett, entfernte das Papier und öffnete die zum Vorschein kommendeSchachtel. Er hatte sich bereits gedacht, von wem das Päckchen stammen mußte, und der Inhalt beseitigte jegliche Zweifel: Sechs kleine Plastikröhrchen mit weißen Aufklebern. Er nahm eines der Röhrchen heraus. Es trug das Datum von Inger Holters Todestag und die Aufschrift ›pubic hui«. Es bedurfte nicht allzu viel Phantasie, um festzustellen, daß die anderen Röhrchen Blut, Kopfhaare, Kleiderfetzen und so weiter enthielten. Und so war es dann auch.
     
    Eine halbe Stunde später wurde er durch das Klingeln des Telefons geweckt.
    »Hast du die Sachen bekommen, die ich dir geschickt habe, Harry? Ich dachte mir, daß du alles so schnell wie möglich haben wolltest.«
    »Toowoomba.«
    »Zu Diensten. Hähä.«
    »Ich habe die Sachen bekommen. Inger Holtei nehme ich an. Ich bin neugierig, Toowoomba. Wie hast du sie ermordet?«
    »Keine Hexerei«, sagte Toowoomba. »Fast zu einfach. Ich war in der Wohnung von einer Freundin, als Inger spät abends anrief.«
    Aha, Otto ist also eine Freundin, wollte Harry sagen, hielt sich aber zurück.
    »Inger brachte Fressen für den Hund meiner Freundin, oder besser, meiner ehemaligen Freundin. Ich war in die Wohnung gegangen, hatte aber den ganzen Abend alleine dort verbracht, denn meine Freundin war wie üblich die ganze Zeit unterwegs.«
    Harry hörte, daß die Stimme einen schärferen Klang bekam.
    »Bist du da nicht ein ziemlich großes Risiko eingegangen?« fragte Harry. »Es hätte ja jemand wissen können, daß sie zu der Wohnung deiner . . . äh, Freundin wollte?«
    »Ich habe sie gefragt«, erwiderte Toowoomba.
    »Du hast sie gefragt?« wiederholte Harry ungläubig.
    »Es ist unglaublich, wie naiv die Menschen sein können. Sie antworten, bevor sie nachdenken, weil sie sich sicher fühlen und glauben, nicht denken zu müssen. Sie war ein so süßes, unschuldiges Mädchen. ›Nein, keiner weiß etwas davon, daß ich hier bin, warum?‹ hat sie mich sogar gefragt. Hähähä. Ich fühlte mich wie der Wolf in Rotkäppchen. Also erklärte ich ihr, daß sie mir sehr gelegen käme. Oder hätte ich sagen sollen, ungelegen? Hähä. Willst du den Rest auch noch hören?«
    Harry wollte gerne den Rest hören. Am liebsten hätte er alles gewußt, bis ins kleinste Detail, wie Toowoomba als Kind gewesen war, wann er zum ersten Mal getötet hatte, warum er kein festes Ritual hatte, warum er die Frauen manchmal nur vergewaltigte, wie er sich nach den Morden fühlte und ob er, wie so viele Serienmörder, nach der Ekstase deprimiert wag, weil es auch diesmal nicht perfekt war, nicht so, wie er es geträumt und geplant hatte. Er wollte wissen wie viele, wann und wo, welche Methoden und Werkzeuge. Und er wollte die Emotionen begreifen, die Leidenschaft verstehen, was die Triebkraft dieses Wahns war.
    Aber er konnte es nicht. Nicht jetzt. In diesem Moment war es ihm egal, ob er Inger vor oder nach dem Mord vergewaltigt hatte, ob es eine Strafe war, weil Otto ihn alleine gelassen hatte, ob er sie hinterher gewaschen hatte oder ob er sie in der Wohnung oder im Auto getötet hatte. Harry wollte nicht wissen, ob sie ihn angefleht hatte, ob sie geweint oder Toowoomba angestarrt hatte, als sie wußte, daß sie in der nächsten Sekunde sterben würde. Er wollte es nicht wissen, weil es ihm nicht gelungen wäre, Ingers Gesicht nicht durch das von Birgitta zu ersetzen, das hätte ihm alle Kräfte geraubt und ihn schwach werden lassen.
    »Woher wußtest du, wo ich wohne?« fragte Harry, um etwas zu sagen und das Gespräch nicht abzubrechen.
    »Harry, bitte! Fängst du an, müde zu werden? Du hast mirdoch beim letzten Mal, als wir zusammen weg waren, gesagt, wo du wohnst. Übrigens danke für den schönen Abend neulich, das habe ich beim letzten Anruf glatt vergessen.«
    »Hör mal, Toowoomba . . .«
    »Ich habe mich ernsthaft gefragt, warum du mich an diesem Abend angerufen und gefragt hast, ob ich dir helfen kann, Harry. Abgesehen davon, die beiden Anabolika-Smokings ein bißchen zurechtzustutzen. Das war ja so weit ganz spaßig, aber waren wir wirklich nur da, damit du dich bei diesem Zuhälter für die Sonderbehandlung bedanken konntest? Ich bin vielleicht kein großer Menschenkenner, Harry, aber für mich paßt das Ganze nicht

Weitere Kostenlose Bücher