Der Fledermausmann
Ihnen Handschellen anlegt und Sie, peinlich oder nicht, abführt, während die ganze Nachbarschaft zusieht. Dann bringen wir Sie zur Wache, stellen Ihnen eine Glühbirne vor die Nase und sperren Sie, falls Sie noch immer nichts gesagt haben oder Ihr Anwalt inzwischen aufgetaucht ist, über Nacht als ›möglichen Verdächtigen‹ ein. Im wirklichen Leben werden Sie im schlimmsten Fall verurteilt, Informationen zurückgehalten und damit einen Mordfall gedeckt zu haben. Und das macht Sie automatisch mitschuldig und wird mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft. Also, was wollen Sie, Mr. Robertson?«
Robertson war blaß geworden. Er öffnete ein paarmal den Mund, ohne daß ein Laut zu hören war, und sah dabei aus wie ein Aquarienfisch, der soeben begriffen hatte, daß er nicht gefüttert wurde, sondern selbst das Futter war.
»Ich, ich . . . ich wollte damit nicht andeuten, daß . . .« »Zum letzten Mal: Wer ist diese Tussi?«
»Ich glaube, die auf dem Foto . . . die, die hier war . . .« »Welches Foto?«
»Sie steht auf dem Foto oben im Zimmer hinter Inger und dem Mann mit dem Kind. Die kleine Braune mit dem Stirnband. Ich habe sie wiedererkannt, weil sie vor ein paar Wochen hier war und nach Inger gefragt hat. Ich habe Inger geholt, und sie blieben auf der Treppe stehen und redeten. Schließlich wurde es laut, und die beiden haben sich gegenseitig nach Strich und Faden beschimpft. Dann knallte die Tür, und Inger rannte weinend die Treppe hoch in ihr Zimmer. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen.«
»Holen Sie uns bitte das Bild, Mr. Robertson. Ich habe die Kopien im Büro gelassen.«
Robertson zeigte sich hilfsbereit und stürmte in Ingers Zimmer. Als er wieder zurück war, reichte Harry nur ein flüchtiger Blick, um zu erkennen, wer die Frau war, die Robertson meinte.
»Schon als wir sie getroffen haben, hat sie mich an irgendwen erinnert«, sagte Harry.
»Das ist ja unsere gutherzige Mutter«, stellte Andrew verblüfft fest.
»Ich denke, ihr richtiger Name ist Angeline Hutchinson.«
Der tasmanische Teufel war nirgends zu sehen, als sie gingen.
»Hast du dich selbst schon einmal gefragt, warum dich alle Konstabel nennen, Detektiv Kensington?« fragte Harry, als sie sich ins Auto setzten.
»Das hat wohl mit meinem vertraueneinflößenden Wesen zu tun. Konstabel, das hört sich doch an wie ›gutmütiger Onkel‹, nicht wahr?« sagte Andrew vergnügt. »Und ich bringe es einfach nicht übers Herz, alle zu korrigieren.«
»Ja, du bist der reinste Schmusebär«, lachte Harry. »Koalabär«, korrigierte Andrew.
». . . bis zu sechs Jahren Gefängnis«, amüsierte sich Harry, »du Lügner!«
»Was anderes ist mir nicht eingefallen«, antwortete Andrew.
7 Terra Nullius,
ein Zuhälter und Nick Cave
E s regnete in Sydney. Das Wasser hämmerte auf den Asphalt, spritzte an den Hauswänden hoch und verwandelte sich in nur wenigen Minuten zu kleinen Strömen, die durch die Gossen rauschten. Die Menschen sprangen auf der Suche nach Schutz umher, während das Wasser unter ihren Fußsohlen klatschte. Einige hatten ganz offensichtlich der morgendlichen Wettervorhersage vertraut und Regenschirme mitgenommen. Jetzt entfalteten sie sich wie große, farbenfrohe Schildkrötenpanzer im Straßenbild. Andrew und Harry warteten an einer roten Ampel auf der William Street am Hyde Park.
»Erinnerst du dich an den Aborigine, der neulich abends in dem kleinen Park beim Albury saß?« fragte Harry.
»Im Green Park?«
»Er wollte dich grüßen, aber du hast seinen Gruß nicht erwidert – warum eigentlich nicht?«
»Ich kannte ihn nicht.«
Es würde Grün, und Andrew drückte das Gaspedal nach unten.
Das Albury war fast menschenleer, als Harry eintrat.
»Du bist aber früh«, sagte Birgitta. Sie stellte saubere Gläser in die Regale.
»Ich dachte mir, daß der Service sicher besser ist, bevor der große Run losgeht.«
»Bei uns kriegen alle etwas.« Sie kraulte Harry am Kinn. »Was möchtest du?«
»Nur einen Kaffee.«
»Der geht aufs Haus.«
»Danke, Schatz.«
Birgitta lachte.
»Schatz? So nennt mein Vater meine Mutter.« Sie setzte sich auf einen Hocker und lehnte sich über den Tresen zu Harry hinüber. »Und eigentlich sollte es mich wohl nervös machen, wenn mir ein Kerl, den ich noch nicht einmal eine Woche kenne, einen Kosenamen gibt.«
Harry sog ihren Duft ein. In der Wissenschaft weiß man noch immer so gut wie gar nichts darüber, wie der Geruchssinn im Gehirn die
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