Der Fledermausmann
auf der Hauptstraße gesehen. Weder Ansett noch Quantas haben einen White zwischen diesem Tag und dem Zeitpunkt des Mordes auf den Passagierlisten.«
»Das heißt gar nichts«, brummte Lebie. »Ein Dealer reist ja wohl kaum unter seinem eigenen Namen. Außerdem kann er den Zug genommen haben. Oder das Auto, wenn er genug Zeit hatte.«
Harry war es richtig heiß.
»Ich sag das noch einmal: Eine amerikanische Statistik besagt, daß das Opfer in über siebzig Prozent aller Tötungsdelikte seinen Mörder kennt. Trotzdem konzentrieren wir uns bei unseren Nachforschungen auf einen Serienmörder. Und die Chancen, den zu fassen, sind, wie wir alle wissen, wohl ebenso groß wie ein Lottogewinn. Laßt uns doch lieber da etwas unternehmen, wo wir etwas in der Hand haben. Immerhin gibt es einen Kerl, für den ein paar Indizien sprechen. Es geht jetzt ganz einfach darum, ihn ein bißchen weich zu kochen. Zu handeln, solange die Spuren noch frisch sind. Ihn herzuzitieren und ihm mit einem Haftbefehl vor der Nase herumzuwedeln. Ihn dazu zu bringen, Fehler zu machen. Im Moment hat er uns genau da, wo er uns haben will, nämlich auf dem . . . dem . . .« Vergeblich suchte er ein englisches Wort für »Abstellgleis«.
»Hmm«, sagte Wadkins und dachte laut, »natürlich würde es nicht gut aussehen, wenn sich jemand, den wir so unmittelbar vor der Nase hatten, schließlich als schuldig herausstellen würde. Ohne daß wir reagierten.«
In diesem Moment ging die Tür auf, und Andrew kam herein. »Guten Tag, Leute, entschuldigt die Verspätung. Aber irgend jemand muß ja dafür sorgen, daß die Straßen da draußen sicher sind. Was ist los, Chef, Sie haben so tiefe Falten auf der Stirn wie das Jamison Valley.«
Wadkins seufzte.
»Wir überlegen uns gerade, ob wir unsere Ressourcen einwenig umverteilen. Ob wir die Serienmördertheorie ein bißchen ruhen lassen und uns statt dessen mehr auf Evans White konzentrieren. Oder Angeline Hutchinson. Holy glaubt, daß ihr Alibi nicht sonderlich viel wert ist.«
Andrew lachte. »Ich würde gerne die fünfundvierzig Kilo schwere Schwangere sehen, die mit bloßen Händen das Leben aus einer drallen skandinavischen Matrone quetscht. Und sie anschließend noch fickt.«
»War ja nur ein Gedanke«, murmelte Wadkins.
»Und was Evans White betrifft, das könnt ihr ruhig vergessen.« Andrew wischte den Apfel an seinem Jackenärmel ab. »Aha?«
»Ich habe mit einem Informanten gesprochen. Er war am Mordtag in Nimbin, um Gras zu kaufen, und hat dort von Evans Whites toller Ware gehört.«
»Ja und?«
»Es hat ihm niemand gesagt, daß White bei sich zu Hause nichts verkauft, und so ist er zu ihm aufs Land gefahren, nur um dann von einem übelgelaunten Kerl mit Schrotflinte vom Hof gejagt zu werden. Ich habe ihm das Bild gezeigt. Sorry, Leute, aber es gibt keinen Zweifel mehr, daß Evans White am Mordtag in Nimbin war.«
Es wurde still im Raum.
Nur das Knacken und Schlagen des Ventilators war zu hören, als Andrew in seinen Apfel biß.
»Also zurück an die Arbeit«, sagte Wadkins.
Harry verabredete sich mit Birgitta um fünf Uhr vor dem Opernhaus, um mit ihr einen Kaffee zu trinken, bevor sie zur Arbeit mußte. Als sie sich dort trafen, war die Cafeteria geschlossen. Auf einem Zettel stand irgend etwas von einer Ballettvorstellung.
»Es ist immer irgend etwas«, sagte Birgitta. Sie lehnten sich an das Geländer und schauten über die Meeresbucht nach Kirribilli auf der anderen Seite.
Ein rostiger, häßlicher Kahn mit russischer Flagge fuhr hinaus, und weiter draußen vor Port Jackson sahen sie gespannte weiße Segel, die stillzustehen schienen.
»Was machst du jetzt?« fragte sie.
»Es bleibt hier nicht mehr so viel für mich zu tun. Der Sarg mit Inger Hoher ist auf dem Weg nach Hause. Das Beerdigungsinstitut in Oslo hat mich heute früh angerufen. Sie erklärten mir, daß sich die Botschaft um die Überführung gekümmert habe: Sie sprachen von dem ›Leichnam‹, fast ein Fachwort für die Toten in dieser Branche. Geliebte Kinder haben so viele Namen, und ich finde es immer wieder merkwürdig, daß der Tod ebenso viele hat.«
»Also, wann fährst du?«
»Sobald wir mit allen, die mit Inger Holter zu tun hatten, gesprochen haben und wir wissen, daß sie nichts mit der Sache zu tun haben. Ich werde heute morgen mit McCormack sprechen. Vermutlich fliege ich noch vor dem Wochenende. Wenn nicht noch eine konkrete Spur auftaucht. Sonst kann das eine langwierige Sache werden, und für
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