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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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der Wand und all die mutmaßlichen Cricketfans erblickte, die das Klientel des Cricket ausmachten, dachte er spontan, er müsse seine Einschätzung von Cricket als snobistischer Sportart revidieren. Die Gäste sahen nicht gerade frisch frisiert und parfümiert aus, und auch Borroughs hinter dem Tresen machte keinen solchen Eindruck.
    »Evening«, wurde er begrüßt. Borroughs' Stimme klang wie die Schneide einer Sense auf dem Schleifstein.
    »Tonic, no Gin«, bestellte Harry und sagte, er könne den Rest der Zehndollarnote behalten.
    »Für Trinkgeld zu viel, für Bestechung zu wenig«, sagte Borroughs und wedelte mit dem Schein. »Sind Sie Polizist?«
    »Ist das so leicht zu erkennen?« fragte Harry mit resignierter Miene.
    »Abgesehen davon, daß Sie sich wie einer von diesen Touristen anhören, ja.«
    Borroughs legte das Wechselgeld vor ihm auf den Tresen und drehte sich um.
    »Ich bin ein Freund von Andrew Kensington«, sagte Harry. Borroughs drehte sich blitzschnell um und nahm das Wechselgeld wieder an sich.
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« brummte er.
    Borroughs konnte sich nicht daran erinnern, etwas von Inger Hoher gehört oder sie jemals gesehen zu haben, das wußteHarry bereits, schließlich hatte Andrew schon mit Borroughs gesprochen. Aber wie sein alter Lehrmeister bei der Osloer Polizei, »Lumbago« Simonsen, immer sagte: »Frag lieber einmal mehr . . .!«
    Harry schaute sich um.
    »Was gibt es hier zu essen?« fragte er.
    »Grillspieß mit griechischem Salat«, antwortete Borroughs, »Tagesmenü, sieben Dollar.«
    »Sony, ich hab mich blöd ausgedrückt«, erwiderte Harry, »ich meinte, was für Menschen kommen hierher, wie sieht Ihre Kundschaft aus?«
    »Tja, das sind wohl diejenigen, die man als ›Unterschicht‹ bezeichnet.« Er lächelte ein wenig resigniert. Dieses Lächeln verriet sehr viel über Borroughs' Alltag und darüber, was aus seinem Traum geworden war, aus dieser Bar etwas zu machen.
    »Sind das Stammgäste da drüben?« fragte Harry und nickte mit dem Kopf zu einer dunklen Ecke des Raumes hinüber, in der fünf Männer saßen und Bier tranken.
    »Ja, natürlich. Die meisten hier sind das. Die großen Touristenscharen verirren sich kaum hierher.«
    »Haben Sie etwas dagegen, daß ich denen da drüben ein paar Fragen stelle?« fragte Harry.
    Borroughs zögerte.
    »Die Kerle da drüben sind nicht gerade Mamas Lieblinge. Ich habe keine Ahnung, wie die das Geld für ihr Bier verdienen, und ich habe auch nicht vor zu fragen. Die arbeiten jedenfalls nicht von neun bis vier, um es so auszudrücken.«
    »Es ist wahrscheinlich niemandem recht, wenn hier in der Nachbarschaft unschuldige Mädchen vergewaltigt und erwürgt werden? Auch diejenigen, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, sind wohl dieser Ansicht, oder? Das schreckt die Leute von dieser Gegend ab und ist nicht gut für's Geschäft, egal was man verkauft, nicht wahr?«
    Borroughs nickte noch immer zögerlich und drehte ein Glas in der Hand hin und her.
    »Ich wäre an Ihrer Stelle trotzdem vorsichtig.«
    Harry nickte Borroughs zu und ging mit langsamen Schritten zu dem Tisch in der Ecke hinüber, so daß die fünf Zeit hatten, auf ihn aufmerksam zu werden. Einer von ihnen stand auf, noch ehe Harry am Tisch angelangt war. Er verschränkte die Arme vor der Brust und präsentierte einen tätowierten Dolch auf seinem muskulösen Unterarm.
    »Die Ecke hier ist besetzt, Blondie !« sagte er mit heiserer, fast tonloser Stimme.
    »Ich habe eine Frage . . .«, begann Harry, aber der Heisere schüttelte bereits den Kopf.
    »Nur eine. Kennt jemand von Ihnen diesen Mann, Evans White?«
    Harry hielt das Bild hoch.
    Bis jetzt hatten die zwei anderen, die ihm zugewandt saßen, ihm eher uninteressierte als feindliche Blicke zugeworfen. Als Whites Name erwähnt wurde, betrachteten sie ihn mit neuerlichem Interesse, und Harry registrierte, daß es auch in der Nackenmuskulatur der beiden anderen, die ihm den Rücken zuwandten, zuckte.
    »Nie von ihm gehört«, sagte der Heisere. »Wir führen hier gerade ein . . . persönliches Gespräch, Mister. Guten Abend.«
    »Dieses Gespräch dreht sich wohl nicht gerade um den Verkauf von Stoffen, die nach dem australischen Gesetz verboten sind?«
    Es folgte langes Schweigen. Er hatte eine lebensgefährliche Taktik gewählt. Direkte Provokation war etwas, auf das man zurückgreifen konnte, wenn man stabile Rückendeckung oder gute Rückzugsmöglichkeiten besaß. Harry besaß weder noch. Er war

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