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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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daß er kein klares Muster hat«, sagte Lebie und hauchte einen seiner Ringe an. »Ganz im Gegenteil scheint er doch selbst die Variationen zu lieben. Abgesehen davon, daß die Opfer Blondinen sein müssen« - er putzte den Ring mit dem Ärmel seines Hemds - »und hinterher mit Vorliebe erwürgt werden.«
    »Eins zu vier Millionen«, wiederholte Yong. Wadkins seufzte.
    »Okay, ich gebe auf. Vielleicht sind unsere Gebete ganz einfach erhört worden. Vielleicht hat er endlich diesen Fehler gemacht.«
    »Was werdet ihr jetzt tun?« fragte McCormack.
    Harry ergriff das Wort. »Otto Rechtnagel wird wohl kaum zu Hause sein, heute abend ist die Premiere eines neuen Programmes seiner Zirkustruppe am Bondi Beach. Ich schlage vor, daß wir dort hingehen, ihn auftreten lassen und unmittelbar nach der Vorstellung festnehmen.«
    »Ich glaub, unser norwegischer Freund hat einen Hang zum Dramatischen«, sagte McCormack.
    »Wenn die Vorstellung abgebrochen werden muß, haben wir sofort die Medien auf dem Hals, Sir. «
    McCormack nickte leicht. »Wadkins?«
    »Für mich ist das in in Ordnung, Sir. «
    »Okay, holt ihn euch, Jungs.«
     
    Andrew hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen und sah aus, als liege er in einem Ausstellungsbett. Die Schwellungen in seinem Gesicht hatten ein interessantes Farbspektrum angenommen. Seine Züge verzogen sich voller Schmerzen, als er versuchte, Harry zuzulächeln.
    »Mein Gott, tut es so weh zu lächeln?« fragte Harry.
    »Alles tut weh. Es tut sogar weh zu denken«, brummte Andrew mürrisch.
    Auf seinem Nachtschränkchen stand ein Blumenstrauß. »Von einer heimlichen Verehrerin?«
    »Nenn es, wie du willst. Er heißt Otto. Und morgen kommt mich Toowoomba besuchen, und heute bist du da. Es tut gut, sich geliebt zu fühlen.«
    »Ich habe dir auch etwas mitgebracht. Gönn sie dir, wenn es niemand sieht.« Harry hielt eine dicke, schwarze Zigarre hoch.
    »Ah, Madura. Natürlich. Von meinem geliebten norwegischen Amarillo !« Andrew strahlte und lachte so vorsichtig wie es nur ging.
    »Wie lange kenne ich dich jetzt, Andrew?«
    Andrew streichelte die Zigarre wie ein Katzenjunges. »Schon ein paar Tage, mate. Man kann uns bald als Brüder betrachten.«
    »Und wie lange, glaubst du, braucht man, um einen Menschen richtig zu kennen?«
    »Richtig kennen?« Andrew schnupperte voller Begeisterung an der Zigarre.
    »Nun, Harry, die ausgetretensten Wege in dem großen, dunklen Wald lernt man recht schnell kennen. Manche Menschen haben gute, gerade Wege, Straßenlaternen und sogar Schilder. Die scheinen dir alles erzählen zu wollen. Aber gerade da sollte man am vorsichtigsten sein. Denn auf den hell erleuchteten Wegen findet man nicht die Tiere des Waldes, die sind draußen in den dornigen Sträuchern und Büschen.«
    »Und wie lange braucht man, bis man sich mit all dem vertraut gemacht hat?«
    »Das kommt darauf an, wer dort geht. Und auf den Wald. Manche Wälder sind dunkler als andere.«
    »Und wie sieht dein Wald aus?« fragte Harry.
    Andrew versteckte die Zigarre in seinem Nachtschränkchen.
    »Dunkel, dunkel wie eine Madura-Zigarre.« Er blickte Harry an.
    »Aber das weißt du doch schon . . .«
    »Ich habe mit einem Freund über dich gesprochen, der ein wenig mehr Licht in das Dunkel rund um Andrew Kensington gebracht hat, ja.«
    »Nun, dann weißt du ja, worüber ich spreche. Sich nicht von den hell erleuchteten Pfaden täuschen zu lassen. Aber bei dir gibt es doch wohl auch ein paar dunkle Flecken, so daß ich dir wohl nichts erklären muß.«
    »Wie meinst du das?«
    »Laß es mich so sagen: Ich sehe in dir einen Mann, der mit gewissen Dingen aufgehört hat. Mit dem Trinken, zum Beispiel.« »Das trifft wohl auf alle zu«, murmelte Harry.
    »Alles, was man hinter sich gelassen hat, hinterläßt Spuren, nicht wahr? Das Leben, das man gelebt hat, ist wie ein Buch für denjenigen, der es zu lesen weiß.«
    »Und du kannst es lesen?«
    Andrew legte seine schwere Faust auf Harrys Schulter. Er war beeindruckend schnell munter geworden.
    »Ich mag dich, Harry. Du bist mein Freund. Ich glaube, du weißt, worum es geht, also suche nicht am falschen Ort. Ich bin nur eine der vielen Millionen einsamen Seelen, die versuchen, auf dieser Erdkugel zurechtzukommen. Ich versuche, mich ohne zu viele fatale Fehler durchzuschlagen. Manchmal gelingt es mir dabei auch, so weit oben zu sein, daß ich versuchen kann, etwas Gutes zu tun. Das ist alles. Ich bin hier nicht wichtig, Harry. Mich richtig zu kennen führt

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