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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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nirgendwo hin. Zum Teufel noch mal, ich selbst will ja gar nicht alles über mich wissen!«
    »Warum nicht?«
    »Wenn dein eigener Wald so dunkel ist, daß man sich darin nicht einmal selbst richtig auskennt, ist es wohl besser, nicht allzuviel auf Entdeckungsreise zu gehen. Sonst stürzt man noch einen Abhang hinunter.«
    Harry nickte, blieb sitzen und betrachtete die Blumen. »Glaubst du an Zufälle?« fragte er.
    »Tja«, sagte Andrew, »das Leben besteht doch aus einer zusammenhängenden Reihe ganz unwahrscheinlicher Zufälle. Wenn du ein Los kaufst und zum Beispiel die Losnummer 822531 hast, ist die Chance, daß gerade diese Nummer kommt, etwa eins zu einer Million.«
    Harry nickte wieder. »Was mich quält«, sagte er, »ist die Tatsache, daß ich diese Losnummer jetzt ein paarmal zu oft gezogen habe.«
    »Aha?« Andrew richtete sich mit einem Stöhnen im Bett auf. »Erzähl es dem Onkel!«
    »Kaum bin ich in Sydney, erfahre ich, daß du eigentlich gar nicht an diesem Fall arbeiten solltest, daß du aber darauf bestanden hast, den Inger-Holter-Fall zu übernehmen und dann noch speziell darum gebeten hast, mit mir, dem Ausländer, zusammenzuarbeiten. Schon da hätte man durchaus die eine oder andere Frage stellen können. Das nächste, was du gemacht hast, war, mir unter dem Vorwand, mit einer mittelmäßigen Zirkusnummer die Zeit totzuschlagen, einen deiner Freunde vorzustellen. Sydney hat vier Millionen Einwohner, und ich lerne an diesem Abend hier diesen Typ kennen. Einen Menschen! Einen aus vier Millionen! Und der gleiche Kerl taucht dann wieder auf, ja, wir gehen sogar eine höchst persönliche Wette um hundert Dollar ein, aber der Knackpunkt ist, daß er in der Bar auftaucht, in der Inger Holter gearbeitet hat und er sie noch dazu kannte! Auch hier wieder: einer unter vier Millionen. Und während wir versuchen, einen möglichen Mörder einzukreisen, nämlich Evans White, tauchst du plötzlich mit einem Informanten auf, der White gesehen haben will, einen von achtzehn Millionen Menschen auf diesemKontinent, ein Informant, der sich ganz zufällig genau an diesem Abend in Nimbin aufgehalten hat!«
    Andrew sah aus, als sei er in tiefe Gedanken versunken. Harry fuhr fort: »Es ist wohl ganz natürlich, daß du mir die Adresse von dem Pub gibst, in dem Evans Whites Clique rein zufällig zu den Stammgästen zählt, so daß diese unter Druck die Geschichte bestätigen können, die ich glauben soll, nämlich, daß Evans White nichts damit zu tun hat.«
    Zwei Krankenschwestern waren hereingekommen, und eine hatte das Fußende des Bettes gepackt. Die andere sagte freundlich aber bestimmt: »Entschuldigung, aber die Besuchszeit ist vorüber. Mr. Kensington muß zum EEG, die Ärzte warten.«
    Harry lehnte sich zu Andrews Ohr hinunter:
    »Ich bin bestenfalls nur ein durchschnittlich intelligenter Mann, Andrew. Aber ich begreife, daß du mir etwas erzählen willst. Ich verstehe nur nicht, warum du mir das nicht einfach sagen kannst. Und wofür du mich brauchst. Gibt es jemanden, der dich unter Druck setzt?«
    Er trippelte neben dem Bett her, aber die Krankenschwestern schoben es resolut durch die Tür auf den Flur. Andrew hatte den Kopf auf das Kissen gelegt und die Augen geschlossen.
    »Harry, du hast gesagt, daß Weiße und Aborigines deshalb auf ähnliche Geschichten über die ersten Menschen gekommen sind, weil wir die gleichen Schlüsse ziehen, wenn wir etwas nicht wissen, daß es fast so etwas wie angeborene Gedankengänge gibt. Auf der einen Seite ist das wahrscheinlich das Dümmste, was ich jemals gehört habe, auf der anderen aber hoffe ich, daß du recht hast. Und in diesem Fall gilt es einfach, die Augen zu schließen und zu sehen . . .«
    »Andrew!« Harry fauchte beinahe in Andrews Ohr. Sie hatten vor einem Lastenaufzug angehalten, und eine der Krankenschwestern öffnete die Tür.
    »Veranstalte jetzt keine Spielchen mit mir, Andrew, hörst du! Ist es Otto? Ist es Otto Bubbur?«
    Andrew schlug die Augen auf.
    »Wie . . .«
    »Wir verhaften ihn heute abend, Andrew, nach der Vorstellung.«
    »Nein!« Andrew richtete sich im Bett ein Stück auf, doch eine der Krankenschwestern drückte ihn vorsichtig aber bestimmt wieder in die Kissen.
    »Der Arzt hat Ihnen gesagt, daß Sie ganz ruhig liegen sollen, Mr. Kensington. Denken Sie daran, daß Sie eine schwere Gehirnerschütterung haben.« Sie drehte sich zu Harry um: »Sie können nicht weiter mitgehen.«
    Andrew rappelte sich im Bett noch einmal auf.
    »Noch nicht,

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