Der Fliegende Holländer
Familie, Professor Montalban. Früher oder später fällt das sowieso irgend jemandem auf, wenn Sie durch die Gegend ziehen und alle meine Angehörigen umlegen, und dann verbringen Sie den Rest Ihres Lebens hinter Gittern. Angesichts der ziemlich merkwürdigen Verhältnisse, in denen Sie leben, ergibt das alles zusammen ein heilloses Durcheinander. Probieren Sie doch mal ’ne eingelegte Walnuß, die sind ganz hervorragend.«
»Nein, danke«, lehnte der Professor ab. »Von so was bekomm ich immer Verdauungsstörungen. Aber sie übersehen dabei, daß außer Ihnen und mir niemand etwas von der Übertragung der Versicherung weiß, geschweige denn von der Existenz der Police selbst.«
»Darauf verließe ich mich nicht«, entgegnete Jane, den Mund voll eingelegter Walnüsse. »Ich meine, da ist zum Beispiel der Hubschrauberpilot.«
»Der Hubschrauberpilot?«
»Ja, der mir die Police gegeben hat. Ein wirklich netter Mann, kann ich Ihnen sagen. Er hat sich die Versicherungsnummer und so weiter notiert. Außerdem hab ich einen kurzen Brief mit sämtlichen Einzelheiten an meine Eltern geschrieben, den er für mich einwirft, sowie er in Yeovilton gelandet ist. Inzwischen müßte er fast da sein. Tut mir leid, Professor, Ihren Plan können Sie sich an den Hut stecken. Nehmen Sie sich doch eine Olive.«
»Ich will aber keine Olive, Miß Doland.«
»Sie sind vielleicht ein Dummkopf!« erwiderte Jane. »In der heutigen Zeit braucht man einfach hin und wieder ’ne Olive, damit man aus den Vorgängen überhaupt noch schlau wird. Aber ich nehme an, Sie haben sich mit Keksen und Biskuits vollgestopft. Die sind allerdings gar nicht gut für Sie.«
Der Professor seufzte und legte die Pistole auf die Arbeitsplatte. Dann setzte er Wasser auf, um sich einen Tee zu machen.
»Tee ist übrigens auch nicht gut für Sie«, belehrte ihn Jane. »Stellen Sie sich bloß mal vor, was die ganzen Gerbstoffe mit Ihrer Magenschleimhaut anstellen.«
»Das ist Theorie, Miß Doland«, antwortete der Professor, »reine Theorie. Sie vergessen, daß ich …«
»Moment mal«, unterbrach ihn Jane und legte die Gabel hin. »Ich hab nicht vergessen, daß Sie genauso unsterblich sind wie Vanderdecker. Aber überlebt haben nur Sie.«
»Er war näher an der Explosion dran als ich«, erklärte der Professor.
»Sie sind weggelaufen, was?«
»Ja.« Der Professor schien nicht besonders stolz auf sich zu sein.
»Vielleicht könnten wir ein Geschäft machen«, schlug Jane vor.
Ein kleiner Teil von ihr, der über diesen Vorschlag ziemlich überrascht war, protestierte, aber Jane brachte ihn schnell zum Schweigen. Warum hat mir Vanderdecker denn sonst die Police gegeben? dachte sie. Also kann ich es genausogut gleich hinter mich bringen.
»Sicher«, antwortete der Professor gelassen. »Woran hatten Sie denn gedacht?«
»Gut«, sagte Jane, »fangen wir bei den Regenwäldern an …«
Simon Courtenay suchte in der Tasche nach den Schlüsseln, stellte dann jedoch fest, daß er sie gar nicht brauchte. Die Tür seines Hotels war offen. Nicht nur einen Spaltbreit, ja, nicht einmal sperrangelweit. Sie war nichts anderes als offen, jedenfalls das, was von ihr übrig war.
Simon fluchte. Seit er sein Haus in Surbiton verkauft hatte, um in den Highlands das Hotel seiner wirklichkeitsfremden Träume zu erwerben, hatte er auf den Moment gewartet, in dem die äußerst merkwürdigen Einheimischen dieser Gegend schließlich doch noch die Kontrolle über sich verlören und überschnappten. Er hatte oft aus den Augenwinkeln heraus bemerkt, wie sie ihn anstarrten und dabei irgendwas auf Gälisch murmelten, aber immer gehofft, daß sie von offener Gewaltanwendung und Beschädigung fremden Eigentums absähen. Tja, das hätte er besser wissen müssen.
Von der Bar hörte er die Gesänge Betrunkener und das Klirren zerbrechenden Glases. Simon überlegte, ob er die Polizei rufen sollte, aber dann fiel ihm ein, daß es sich dabei ja auch um Schotten gehandelt hätte, die sich wahrscheinlich ihren Landsleuten anschließen und ihnen helfen würden. Also mußte er die Geschichte selbst in die Hand nehmen. Er hob ein Stuhlbein auf – aus irgendeinem Grund lagen in den Räumlichkeiten heute abend eine Menge Stuhlbeine herum, von denen nur sehr wenige mit Stühlen verbunden waren – und betrat die Bar.
»We are sailing, we are sailing, home again, across the sea«, sangen die mit Kilts bekleideten Betrunkenen, die in der ausgeräumten Bar herumlagen. Bis auf einen Besoffenen,
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