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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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darauf hin, daß sich tatsächlich einige Gebäudeteile gelöst hatten, aber was kann man von Bauunternehmern schon erwarten? Heutzutage ist anscheinend niemand mehr auf seine Arbeit stolz.
    Ach, sagte sich der Professor, jetzt eine schöne Tasse Tee und ein Stück selbstgebackenen Rührkuchen nach viktorianischem Rezept.
    Er wischte sich die Asche von den Augen und blickte sich aufmerksam um. Kein Feuer zu sehen. Kein Rauch. Keine Anzeichen für irgend etwas Ungewöhnliches. Sehr eigenartig. Montalban machte sich auf den Weg zum Computerraum. Die plötzliche heftige Explosion verblüffte ihn, aber er hatte eine Theorie parat, die er überprüfen wollte.
    Genau, wie ich’s mir gedacht hab, sagte er sich mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, als er die Trümmer der Plutoniumkammer unter die Lupe nahm. Sie war seine eigene Konstruktion, einst eine äußerst revolutionäre und streng geheime, jetzt aber hauptsächlich zerstörte Erfindung. Doch scherte das den Professor überhaupt nicht mehr.
    Die Frage, die ihn beschäftigt hatte, lautete, weshalb das Plutonium mit einer derartigen Wucht explodiert war, und hier, so schien es, lag die Antwort. Einer der Idioten von dem Schiff hatte die Tür geöffnet und hatte die Kammer betreten. Dadurch hatte ihn (oder, um genau zu sein, den Geruch) nichts mehr vom Plutonium selbst getrennt. Daraufhin war das Plutonium mit den einzigartigen Kohlenstoffverbindungen, die nur in den Gasen vorkommen, aus denen der Geruch besteht, eine rasche chemische Reaktion eingegangen und hatte sich dabei in ein gänzlich harmloses Plutoniumisotop verwandelt. Da es auf jede Wirkung sowohl eine gleichwertige als auch eine entgegengesetzte Gegenwirkung gibt (einer seiner eher glücklichen Aussprüche, dachte der Professor immer), war es nur logisch, daß auch mit den Geruchsträgern irgend etwas passiert war.
    Montalban blickte sich um. Da war nichts, kein Knochensplitter, kein Stückchen verkohlte Kopfhaut. Nichts. Die Besatzung der Verdomde hatte sich offensichtlich einfach aufgelöst, sich in Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffwolken zurückverwandelt. Finito.
    Ach, du meine Güte! schimpfte Montalban. Er dachte an die Vanderdecker-Police. Was für eine furchtbar unangenehme Geschichte.
     
    »Hören Sie hier bei uns auf Radio Three«, kündigte die schrecklich sonore Stimme an, die Jane langsam zum Hals raushing, »als nächstes Werk Richard Wagners Oper Der Fliegende Holländer in der Aufnahme der Deutschen Grammophon von 1956 mit …«
    Die Sendung gerade dieses Werks stellte sich natürlich als bloßer Zufall heraus. Jane hatte nämlich den Ersatzdecoder des Professors im Badezimmer gefunden (das war ganz leicht gewesen: sie war einfach mit dem Kofferradio im Haus herumgegangen und hatte gewartet, bis eine Antwort kam, in diesem Fall von der Klappe des Klopapierhalters), und alles, was er aus Wagners frühem Meisterwerk machen konnte, war ein Wirrwarr aus unzusammenhängenden Geräuschen, über das sich ein gelegentliches Zufallswort erhob, wie zum Beispiel Hippopotamus oder Canasta. Sie schaltete beide Geräte aus, versuchte es noch einmal mit dem Videotext (Adelaide – Darwin 6:5) und gab schließlich das Ganze als hoffnungslosen Fall auf.
    Je länger sie wartete, desto besser, sagte ihr die Stimme der Vernunft. Bis jetzt war die Ruhe eines Regentags in Cotswold noch nicht von radioaktiven Staubwolken oder riesigen sengenden Hitzewellen unterbrochen worden, ein Indiz dafür, daß der Reaktor in Dounreay nicht explodiert war, wenigstens bis jetzt noch nicht. Aber – Jane konnte nichts gegen diese Gedankengänge tun, obwohl sie weiß Gott nicht besonders angenehm waren – darum ging es doch eigentlich gar nicht, oder? Alles in allem machte sie sich überhaupt keine Sorgen um Dounreay oder das Schicksal Nordenglands oder Europas. Nicht, daß sie irgend etwas gegen diese Landstriche gehabt hätte, und natürlich wäre es ihr viel lieber gewesen, wenn es dort keine Katastrophen geben würde, aber was ihr wirklich Kopfzerbrechen bereitete, war das Schicksal eines einzigen Mannes.
    Verrückt. Nur mal angenommen, er kommt zurück, was dann? Sie war immer der Meinung gewesen, die beste Methode, sich von einer Sehnsucht zu befreien, sei die Vorstellung, wie es wohl wäre, wenn der Traum Wirklichkeit würde. Wenn man sich das nämlich erst einmal richtig ausmalt, stellt man normalerweise bald fest, daß man das glückliche Ende eigentlich überhaupt nicht will, um gar keinen Preis. Dieses

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