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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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J. Vanderdecker vor zwei Jahren – und ein weiteres Mal sieben Jahre zuvor – in Bridport herumgetrieben hatte, dann konnte er nicht Anfang dieses Jahrhundert gestorben sein. Aber genau danach verlangte Janes ansonsten einleuchtende Theorie.
    Jeder normale Mensch, mit Ausnahme eines Buchhalters, hätte gesagt: ›Das Zeug kann mich mal gern haben‹, und wäre mit etwas anderem fortgefahren. Buchhalter sind da anders. Der Sage nach stammen sämtliche Buchhalter von einem gewissen Barnabas von Sidon ab, einem untergeordneten Partner der Apostel, der in Galiläa für Josephs Tischlerei die Bücher führte. Nachdem er bereits bei der Speisung der Fünftausend einen schweren Schock erlitten hatte, nahm er auch am Letzten Abendmahl teil, verpaßte aber den Großteil dieser Freßorgie, weil er viel zusehr mit der Aufstellung der Rechnung beschäftigt war und sich ständig den Kopf darüber zerbrechen mußte, wer nun was gehabt hatte. Ähnlich wie Fische haben Buchhalter eine andere Sichtweise als das gemeine Volk, und auf ihrem starren und unnachgiebigen Blick für Details, die normale Menschen unwichtig finden, beruht ihre Existenzberechtigung.
    Also gut, was machen wir jetzt damit? fragte sich Jane. Theoretisch müßte sie eigentlich nur dem Filialleiter ihre Entdeckung mitteilen, der ihr sagen würde, wie interessant das alles sei und ob sie noch mehr zu tun habe oder ob sie nicht lieber bald nach Hause fahren wolle. Sobald sie das Gebäude verlassen hätte, würde er die Summe mit den Kontoführungsgebühren verrechnen und das Konto auflösen. Aus einem unerfindlichen Grund hatte Jane das unnachgiebige Gefühl, daß so etwas auf keinen Fall passieren durfte. Sie hatte zwar keine Ahnung, warum das so wichtig war, aber so war es nun einmal.
    Die einzige Information, die sie neben dem Namen J. Vanderdecker und der Summe von £ 6,42 über das Konto besaß, war eine Adresse: Lower Brickwood Farm Cottage, Melplash bei Bridport, Dorset. Daraus folgte, daß, falls es noch irgend etwas über dieses Rätsel herauszufinden gab, es dort zu suchen war. Sie beschloß, noch am selben Abend dort hinzufahren, um endlich hinter des Rätsels Lösung zu kommen. Wahrscheinlich gab es eine ganz simple Erklärung. In der Zwischenzeit konnte sie ja an etwas anderes denken und die normale Arbeit fortsetzen.
    Kaum war es halb sieben, begab sich Jane mit ihrem in London zugelassenen Ford Fiesta auf die Suche nach dem Lower Brickwood Farm Cottage in Melplash, was schwieriger zu sein schien, als den Heiligen Gral zu finden. Melplash ist nicht mehr auf dem Stadtplan von Bridport verzeichnet, den der wahrheitsliebende Mensch beim Zeitungshändler käuflich erwerben kann; aber um die ganze Wahrheit zu sagen, ist auch ein Großteil von Bridport darin nicht verzeichnet. Wenn es allerdings um Melplash geht, so ist der Fremde völlig auf sich allein gestellt, und man kann davon ausgehen, daß die einzigen Leute, die notgedrungen etwas mit Melplash zu tun haben, dort bereits leben. Natürlich wissen alle Dorfbewohner, wo das Lower Brickwood Farm Cottage liegt, da sie seit ihrem sechsten Lebensjahr auf ihrem Weg zum Briefkasten oder zur Dorfkneipe Green Man täglich daran vorbeigekommen sind. Sie kennen es allerdings nicht als Lower Brickwood Farm Cottage, sondern als ›Davis’ Schuppen‹ oder ›Alten Tümpel‹ oder, noch metaphysischer, als das ›Aus und vorbei‹. Allenfalls der Postbote kennt also die postalische Adresse, und da dieser morgens um halb vier aufzustehen pflegt, liegt er meistens schon im Bett.
    Jane gehörte nicht zu den Leuten, denen es zu peinlich ist, andere Menschen anzusprechen und nach dem Weg zu fragen, aber diese Tugend war ihr heute keine große Hilfe. Von den sechs Leuten, die sie nach dem Weg fragte, stammten zwei aus Mittelengland, und dieses Rentnerehepaar wohnte erst seit etwa einem Jahr in Melplash. Zwei andere waren zwar sehr gesprächig, aber überhaupt nicht zu verstehen. Der fünfte gab ihr mit um so deutlicheren Worten eine präzise Wegbeschreibung, die Jane, wenn sie ihr gefolgt wäre, nach Liverpool gebracht hätte. Der sechste Informant war der Wirt des Green Man. Er fragte Jane, ob sie vom Maklerbüro Pardoes sei und ob man den alten Schuppen wirklich wiederherrichten wolle. Jane erinnerte sich daran, den Namen Pardoes in der Bank unter der Rubrik ›Immobilien An- und Verkauf‹ gelesen zu haben, und antwortete mit ja, um sich das Leben einfacher zu machen.
    Als sie sich endlich in Richtung Lower Brickwood

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