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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Farm Cottage aufmachte, war es schon fast dunkel. Die Wegbeschreibung des Wirts führte sie über eine ungeteerte Straße auf einen Hof, auf dem sich fünf eingestürzte Wellblechhütten befanden, die allesamt so aussahen, als wäre hier einst das Diebesgut von den Raubzügen in die Nachbardörfer gelagert worden. Zusätzlich gab es eine beträchtliche Anzahl alter Traktorreifen, einen Ford Anglia, aus dessen Windschutzscheibe ein kleiner Baum wuchs, etliche ausrangierte Maschinenteile landwirtschaftlicher Geräte und ein uraltes, verfallenes Steingebäude.
    An dieser Stelle hätte Jane vermutlich aufgegeben, zumal sie an eine solche Umgebung nicht gewöhnt war, aber sie entdeckte an dem verfallenen Steingebäude ein Schild mit der Aufschrift ›Lower Brickwood Farm Cottage‹ und zog daraus den logischen Schluß, daß sie hier richtig war. Sie ging zur Eingangstür, und als eine junge Dame, die wußte, was sich gehörte, klopfte sie erst einmal an. Als ihr eine innere Stimme sagte, sie verhalte sich wie eine Idiotin, rüttelte sie schließlich an der Tür.
    Die Tür war nicht verschlossen, gab aber nur einige Zentimeter nach, bis sie unten gegen etwas Schweres stieß und sich nicht mehr weiter öffnen ließ. Wie schon zuvor erwähnt, handelte es sich bei dem Buch, das Jane Doland vor ihrer Ankunft in Bridport gelesen hatte, um einen Krimi, und an dieser Stelle sollte betont werden, daß Jane eine glühende Anhängerin dieser Literaturgattung war. In vielen Kriminalromanen rüttelt der Detektiv an der Tür eines einsamen Hauses und findet sie zu seiner Überraschung geöffnet vor, allerdings ist sie stets auf dieselbe Weise blockiert. Und Sie können Gift darauf nehmen, daß es sich bei dem blockierenden Gegenstand um eine Leiche handelt.
    Das allerletzte, was Jane entdecken wollte, war eine Leiche. Aber dieselbe innere Stimme, die sie kurz zuvor noch als Idiotin bezeichnet hatte, bedrängte sie jetzt, sich mit aller Gewalt gegen die Tür zu stemmen, die sich daraufhin sofort öffnete. Hinter der Tür lag keine Leiche, sondern eine ganze Schneewehe von Briefen, von denen die meisten stark angegammelt waren. Auf einigen von ihnen klebten Briefmarken, auf denen noch der Kopf von Königin Viktoria abgebildet war, und alle stammten von der National Lombard Bank. Jane kniete sich auf den in einem Jahrhundert zu einem Berg angewachsenen Haufen aus Kontoauszügen und diversen Aufforderungen, die Kreditkarte abzuholen, sowie Werbebriefen bankeigener Versicherungen und Lobreden auf den National Lombard Unit Trust und suchte in ihrer Handtasche nach einer Taschenlampe.
    Eine kurze Untersuchung im Licht der Taschenlampe erbrachte den Beweis, daß das Lower Brickwood Farm Cottage seit ewigen Jahren nicht bewohnt gewesen war, wenn man von kleinen Tieren und Vögeln absah. Drinnen war es äußerst unbehaglich, und Jane dankte der Vorsehung, daß sie praktisch ohne Geruchssinn auf die Welt gekommen war. Zaghaft bahnte sie sich den Weg bis in die Mitte des Raums, der das gesamte Erdgeschoß einnahm, und sah sich vorsichtig um. Dem Anblick nach zu urteilen, war die Treppe nach oben schon vor langer Zeit eingestürzt. Da es großen Teilen des Daches ebenso ergangen war, fühlte sie sich hier drinnen alles andere als sicher.
    Gerade als sie das Haus verlassen wollte, fiel ihr Blick auf eine kleine Kiste, in der sich noch mehr Briefe befanden. Nachdem sie so viel erreicht und so wenig gefunden hatte, entschied sich Jane, diese Briefe genauer zu untersuchen. Voller Abscheu fischte sie eine Handvoll heraus und sah sie sich im Lichtkegel der Taschenlampe an. Sämtliche Briefe waren an J. Vanderdecker adressiert und enthielten ausschließlich Rechnungen.
    Wer immer dieser J. Vanderdecker war, er mußte über einen langen Zeitraum ein guter Kunde der Jeanes’ Bootswerft gewesen sein. Auf sämtlichen Rechnungen waren stets verschiedene Posten angegeben, die sich allesamt auf Schiffsreparaturarbeiten bezogen, und darunter stand immer ›Betrag dankend erhalten‹. Dabei konnte es sich nur um ein Holzschiff handeln, denn häufig waren Nägel, Bretter, Taue, Seile und Segeltuch aufgeführt sowie eine Menge nautischer Fachbegriffe, die Jane erst gar nicht zu verstehen versuchte. Die älteste Rechnung, die derart von Feuchtigkeit und Schmutz durchdrungen war, daß sie Jane in den Händen zerbröselte, stammte aus dem Jahr 1704. Die neueste war genau zwei Jahre alt. Als die Batterie der Taschenlampe nachließ, hatte Jane die Rechnungen von der

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