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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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gut wie ich, daß die Konjunktur der großen Wirtschaftsmächte so unbeständig ist, daß es jedesmal schon einen Börsenkrach gibt, wenn in China ein Sack Reis umfällt oder sich der Bürgermeister von Kleinkleckersdorf eine schwere Erkältung holt. Nur die leiseste Andeutung, die National Lombard habe kurz vor dem Ruin gestanden, und man könnte auf der Wallstreet keine drei Schritte mehr tun, ohne von einem im freien Fall befindlichen Börsenmakler getroffen zu werden.
    So, das ist die eigentliche Geschichte, die hinter der Vanderdecker-Police steckt.«
    Abermals trat dieses lange, ohrenbetäubende Schweigen ein, bis Jane diese absolute Stille nicht mehr aushielt.
    »Aber wenn Vanderdecker ewig lebt«, sagte sie, »dann stirbt er auch nie. Folglich ergibt sich das Problem doch gar nicht erst.«
    Mr. Gleeson lächelte. »Wer hat denn gesagt, er würde ewig leben?« hielt er ihr entgegen. »Wir wissen bisher nur, daß er noch nicht gestorben ist. Ewiges Leben ist bei Menschen rein wissenschaftlich gar nicht möglich. Von der Logik her muß man letzten Endes irgendwann mal sterben. Und mit jedem Jahr, in dem Vanderdecker nicht stirbt, wird das Problem schlimmer. Das kann man gar nicht mehr beschreiben. Sie sehen doch die Zwickmühle, in der wir stecken. Seinen Tod können wir uns nicht leisten, aber genausowenig können wir es uns leisten, daß er noch länger lebt. Fünfzig Prozent Prämienzuschlag pro Jahr! Das müssen Sie sich mal überlegen!«
    Jane überlegte. Sie schauderte. »Und wo ist er jetzt?« fragte sie.
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Mr. Gleeson. »In den dreißiger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts haben wir seine Spur verloren, aber er ist zwischendurch immer wieder mal aufgetaucht. Er tritt ungefähr alle sieben Jahre einmal in Erscheinung, und dann verschwindet er wieder spurlos von der Bildfläche.«
    Jane erinnerte sich plötzlich an etwas. »Sie meinen, wie der Fliegende Holländer?« fragte sie.
    »Vanderdecker ist der Fliegende Holländer«, klärte Mr. Gleeson sie auf. »Genau der.«
    »Ach so«, sagte Jane, als ob dadurch alles auf einmal glasklar geworden sei. »Und was hat das Ganze jetzt mit Bridport zu tun?«
    »Dazu wäre ich gleich gekommen«, erwiderte Mr. Gleeson, »ich wollte Ihnen nur vorher Zeit geben, meinen bisherigen Bericht zu verdauen. Aber offenbar haben Sie eine bemerkenswert gute Verdauung – oder Sie halten mich für einen komischen Kauz. Bridport spielt bei der ganzen Sache eine gewisse Rolle, weil Vanderdecker dort seine letzte Spur in diesem Land hinterlassen hat. In der Bridporter Filiale der Bank hat er nämlich achtzehnhundertneunzig und noch was ein Konto eröffnet. Und soweit ich weiß, haben Sie das entdeckt.«
    »Ja, das hab ich«, bestätigte Jane. »Warum haben Sie das Konto denn nicht aufgelöst?«
    »Ganz einfach«, antwortete Mr. Gleeson. »Dazu müssen wir entweder Vanderdeckers Anweisung haben oder seine Sterbeurkunde sehen. So sind nun mal die Vorschriften.«
    Jane war höchst erstaunt. Redlichkeit war das letzte, was sie erwartet hatte. »Aber was ist mit den Kontogebühren?« fragte sie. »Könnten Sie die Prämie nicht einfach dagegen aufrechnen?«
    »Achtzehnhundertneunzig und soundsoviel gab es noch keine Kontogebühren«, erwiderte Mr. Gleeson. »Außerdem wäre das nicht korrekt. Das wäre eine Unregelmäßigkeit, die in den Büchern vermerkt werden müßte. Darauf müßte ich als Buchprüfer der Bank bestehen.«
    »Ach so, ich wußte nicht, daß die Vorschriften so streng sind.«
    »Wir können nichts tun als äußerstes Stillschweigen über diese Angelegenheit bewahren«, fuhr Mr. Gleeson fort. »Die einzigen Menschen, die über die Bedeutung dieses Kontos Bescheid wissen, sind meine Wenigkeit, der Aufsichtsratsvorsitzende der Bank und jetzt auch Sie. Offensichtlich hat der hiesige Filialleiter keine Ahnung. Und falls irgend jemand hinter die Geschichte kommen sollte, natürlich abgesehen von uns dreien, treiben wir den Betreffenden in den Wahnsinn und lassen ihn in eine psychiatrische Klinik einliefern.«
    »Damit verletzen wir dann nicht die Vorschriften, oder?« erkundigte sich Jane.
    »Ich hab sie sehr genau gelesen«, antwortete Mr. Gleeson. »So eine Maßnahme ist dort nirgends erwähnt. Daher muß sie logischerweise auch rechtmäßig sein.«
    »Warum hab ich dann nicht …«
    »Weil Sie keinen Geruchssinn haben«, erwiderte Mr. Gleeson.
    Zum drittenmal behauptete Jane mit einem »Ach so«, alles begriffen zu haben, aber ihr

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