Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
während er ein Radieschen in den Falten der Salatblätter in die Enge trieb. »Erinnerst du dich noch daran, was du alles angestellt hast, nur um dich vorm Sportunterricht zu drücken? Ich glaube, du hast noch nie ein Rückgrat besessen. Das ist schon das ganze Leben lang dein Hauptproblem gewesen. Wenn sie dich in der Schule wenigstens gezwungen hätten, Rugby zu spielen. Ich wette, dann würdest du jetzt nicht so ein Theater machen.«
    »Gerald, hast du eigentlich schon mal versucht, dich umzubringen? Das würde dir bestimmt gefallen.«
    »Also, ich wäre überglücklich, wenn ich in deiner Haut stecken würde, Danny. Du kriegst jede Menge frische Luft und hast jede Menge Spaß. Die Fernsehzuschauer bekommen auch das, was sie wollen. Ich meine, mal ganz ehrlich, wer interessiert sich denn überhaupt ’ne Bohne für Politik? Wenn ich’s mir recht überlege, könntest du vielleicht mal was dagegen unternehmen, daß die Krickethöhepunkte immer erst morgens um halb drei gesendet werden. Ich bin nämlich nicht mehr so jung wie früher und brauch meine acht Stunden Schlaf. Man kann natürlich immer leicht sagen, dann nimm das Zeug doch mit dem Videorecorder auf, aber ich krieg es einfach nicht hin, den Timer richtig zu programmieren. Irgendwie endet das bei mir immer damit, das ich die letzte halbe Stunde von so ’nem deutschen Kultfilm mit Untertiteln drauf hab, und das ist nun wirklich das letzte, was ich sehen will, wenn ich nach einem harten Tag im Büro nach Hause komm. Natürlich könnte meine Mutter den Recorder programmieren, aber dann begreift sie womöglich, wie der Apparat funktioniert, und nimmt diese ganzen australischen Seifenopern auf, und so etwas würde ich als perversen Mißbrauch fortschrittlicher Technologie bezeichnen.«
    »Mußt du eigentlich nicht mal langsam nach Hause?« warf Danny ein.
    Gerald blickte kurz auf die Uhr und fluchte leise vor sich hin. »Du hast recht, Danny. Ist es nicht unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht? Hör mal, ich zisch wirklich nur sehr ungern ab, wo du gerade in so einer Existenzkrise steckst, aber der Dollarkurs ist schon die ganze Woche äußerst wacklig, und Gott weiß, was der noch alles anstellt, wenn ich nicht da bin und ihm das Händchen halte. Du mußt mal zum Essen kommen. Amanda hat endlich rausgefunden, wie man Crème brulée in der Mikrowelle machen kann. Da springst du an die Decke. Danke für den Wein.« Er schaufelte mit den Fingern die Essensreste vom Teller, stopfte sich die Mischung in den Mund und ging hinaus.
    Als Gerald endlich verschwunden war, konnte Danny seinen Kummer erst richtig genießen. Er kostete ihn ganz aus, rollte ihn zwischen Zunge und Gaumen hin und her und nahm das einzigartige Bukett auf. Es geschieht nicht alle Tage, daß eine lebende Legende zusammen mit leeren Flaschen und alten Verpackungen auf den Müll geworfen wird. Eigentlich könnte man daraus eine phantastische Enthüllungsdokumentation machen, allerdings nur für einen anderen Auftraggeber.
    Vielleicht nehme ich das alles viel zu schwer, redete sich Danny Mut zu. Möglicherweise hatten die wirklich recht, und ich hab mich mit der Zeit in der Tagespolitik mit meinen Gewohnheiten wirklich ein bißchen verrannt. Womöglich ist es eine spannende Herausforderung, in Warrington Aufzeichnungen von Billardturnieren fürs Fernsehen zu produzieren. Unter Umständen ist die Erde doch nur eine flache Scheibe und dreht sich auf einer Stange, die der große Zauberer auf der Nase balanciert. Möglicherweise ist mein Schicksal so unbedeutend, daß es sich nicht mal lohnt, darüber nachzudenken. Vielleicht sollte ich lieber alles hinschmeißen und für die Leute von den Satellitensendern arbeiten.
    In den drei Jahren seit seiner letzten Story (deren Einzelheiten hier ohne Belang sind) hatte Danny oft mit dem Gedanken gespielt, die BBC zu verlassen und sich bei Jolly Roger zu verpflichten, aber immer nur dann, wenn er nicht in der richtigen Verfassung war, wichtige Entscheidungen zu treffen. An jenem Tag, den er wegen seiner ganzen Schmach und Schande nie vergessen sollte, hatte er es bis zum Tippen seines Kündigungsschreibens gebracht, nachdem man ihm schriftlich mitgeteilt hatte, daß man für seine brandheißen Enthüllungen über die Korruption im Amt für Abwasserbeseitigung einer größeren Gemeinde in den West Midlands – der vorläufige Titel der Dokumentation lautete ›Abwassergate‹ – keine Verwendung habe. Später tippte er das gleiche Schreiben noch einmal in die

Weitere Kostenlose Bücher