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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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überhaupt gibt. Hauptsächlich bemühen wir uns natürlich darum, mit dem eigentlichen Problem fertig zu werden, damit wir die Lösung parat haben, sobald irgendwann einmal etwas an die Öffentlichkeit dringt – und das wird eines Tages unweigerlich geschehen, dagegen ist man machtlos. Haben wir erst einmal eine Antwort gefunden, wäre der Fall erledigt. Nun gut …«
    Mr. Gleeson kratzte sich langsam und bedächtig am Ohr, als vollbrächte er damit eine äußerst komplizierte und schwierige Glanzleistung, die die gesamte Konzentration erforderte. Dann beugte er sich vor.
    »Damit Sie auch begreifen, was ich Ihnen gleich erzähle«, fuhr er fort, »sollte ich Sie wohl besser über die Geschichte des wichtigsten Kunden unseres Instituts ins Bild setzen. Ich muß Ihnen bestimmt nicht erzählen, daß es sich dabei um die National Lombard Bank handelt. Das ist eine sehr alte Bank, eigentlich die älteste überhaupt. Um ehrlich zu sein, kennt niemand das genaue Gründungsdatum. Alles fing mit einem großen Haufen Silbermünzen in einem Strumpf an. Dieser Strumpf gehörte einem italienischen Kaufmann, der zwar zu fett war, um selbst an den Kreuzzügen teilzunehmen, dem aber die damit verbundenen phantastischen geschäftlichen Möglichkeiten durchaus bewußt waren. Während der Belagerung von Jerusalem vermehrten sich die Silbermünzen so stark, daß der Strumpf bald für alle Münzen zu klein war, woraufhin der italienische Kaufmann oder dessen Enkel oder wer auch immer statt dessen eine Bank gründete und die Münzen darin aufbewahrte. In geistiger Hinsicht blieb das ganze Unternehmen jedoch immer ein Strumpf, und das ist bis heute so geblieben. Wenn Sie sich das stets vor Augen halten, begreifen Sie eine ganze Menge von der Funktionsweise der Banken.
    Aus irgendwelchen Gründen verließ der Strumpf im frühen vierzehnten Jahrhundert die Lombardei und zog in die Städte der Hanse, wo er von nun an bei Leuten namens Fugger lebte. Diese Leute behandelten den Strumpf gut und fütterten ihn mit vielen Silbermünzen, bis fast sämtliche Silbermünzen auf der Welt entweder ständig in diesem Strumpf steckten oder durch eine Reihe von verbindlichen und rechtlich zulässigen Abkommen unveräußerlich mit ihm verbunden waren. Je mehr Menschen Geld aus dem Strumpf zu holen versuchten, desto mehr Geld landete dort wieder. Und obwohl sich alle über diesen Sachverhalt beklagten, begriff keiner, daß die einzige Möglichkeit, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, zuerst einmal darin bestand, dem Strumpf kein Geld mehr zu entnehmen. Diese Lektion«, erklärte Mr. Gleeson, »hat man selbst heutzutage noch nicht begriffen, und deshalb liegt auch die wirtschaftliche Infrastruktur der entwickelten Länder jenseits aller Vorstellungen.
    Die Fugger waren jedenfalls fleißige Leute«, fuhr Mr. Gleeson fort, »und deshalb nicht willens, dem Strumpf die ganze Arbeit allein zu überlassen. Sie suchten ständig nach neuen Ideen, wie sie anderen Leuten noch mehr Silbermünzen abknöpfen konnten, und schließlich stieß einer der Fugger auf ein äußerst einfaches, aber höchst wirksames Konzept. Es war im Grunde eine Art Wette und funktionierte ungefähr folgendermaßen.
    Die Fugger dachten sich etwas aus, das nur im allerunwahrscheinlichsten Fall passieren würde, und dann überredeten sie jemanden, mit ihnen um Geld zu wetten, daß dieses Ereignis einträte. Die zutreffende Bezeichnung für eine solche Vereinbarung wäre eigentlich ›Knalltütenwette‹, aber die Fugger wollten einen anständigen Namen dafür finden, und deshalb nannten sie das Ganze Versicherung. Wie die Fugger es vorhergesehen hatten, schlug die Sache voll ein und galt schon bald als derart seriös, daß man die Leute ohne weiteres dazu brachte, jedes Jahr eine neue Wette abzuschließen. Diese Art Wette nannte man Prämie. Doch obwohl bald jedermann davon überzeugt war, daß die Wetten vollkommen seriös waren, wollten die Fuggers als Perfektionisten absolut sichergehen. Darum fingen sie an, die Wetten auf extrem langen Pergamentrollen, häufig in Latein, in allen Einzelheiten schriftlich festzuhalten. Dieser Brauch hat sich bis heute erhalten. Wir nennen diese Schriftstücke Policen, und normalerweise strotzen sie dermaßen vor Seriosität, daß man schon ein paar ausgefuchste Anwälte braucht, um ihren Sinn zu verstehen.«
    Jane nickte unwillkürlich, da sie gerade ihre KFZ-Versicherung verlängert hatte, dann fuhr Mr. Gleeson fort.
    »Also, wenn ich die Geschichte

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