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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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gesucht?«
    Trotz der kürzlich durchgeführten Reform der Öffnungszeiten ist das einzige Lokal, wo man in der West Bay um halb vier Uhr nachmittags etwas zu trinken bekommt, das Rockcliffe Inn. Es ist schwierig, sich einen Durst vorzustellen, der stark genug ist, um eine Person ins Rockcliffe Inn zu treiben. Daher kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß Vanderdecker nicht seinem dickflüssigen und trüben Bier zulächelte, das mit kleinen weißen Flocken verseucht war, die ihn an das Zeug erinnerten, das sich nach langem Schlaf in den Augenwinkeln ansammelt.
    »Wegen der Versicherungspolice«, klärte Jane ihn auf.
    Vanderdecker schaute sie verdutzt an. »Was für eine Versicherungspolice?«
    »Die Vanderdecker-Police.«
    »Sprechen wir doch nicht in Rätseln«, bat Vanderdecker. »Jedenfalls nicht, wenn das Bier so mies ist. Wenn Sie unbedingt in Rätseln sprechen müssen, will ich allermindestens ein Stella Artois vor mir haben.«
    »Was ist Stella Artois?«
    »Barbarin!«
    »Verzeihung.«
    »Stella Artois ist eine Biersorte«, klärte Vanderdecker sie auf. »Tut mir leid, das war wohl sehr unhöflich von mir. Ich hätte Sie nicht einfach eine Barbarin nennen dürfen, nur weil Sie noch nie etwas davon gehört haben. Sind Sie sicher, daß Sie noch nie davon gehört haben?«
    »Ja. Ich mag Bier leider nicht besonders gern«, entschuldigte sich Jane.
    »Dann sind Sie doch eine Barbarin. Was ist die Vanderdecker-Police? Erzählen Sie weiter! Sie sind dran.«
    »Die Vanderdecker-Police ist die Lebensversicherung, die Sie mit dem Haus Fugger abgeschlossen haben.«
    Vanderdecker wollte gerade widersprechen, als sich zwei winzige Anhaltspunkte in seinem Gedächtnis miteinander verbanden. »Meine Lebensversicherung?« wiederholte er.
    »Genau.«
    Er runzelte die Stirn. »Ach, das ist alles?«
    »Ja.«
    Vanderdecker stellte sein Glas hin. »Nach vierhundertfünfzig Jahren wollen Sie mir eine Lebensversicherung verkaufen. Gebt ihr Leute denn nie auf?«
    Aber Jane schüttelte den Kopf. »Wir wollen Ihnen keine Lebensversicherung verkaufen, wir wollen sie Ihnen abkaufen.«
    Während sie Vanderdecker anschaute, stieß auf der abgegrastesten Weide ihres Hirns der winzige Keim eines Gedankens ein grünes Blatt durch seine Hülse. Es war ein außergewöhnlicher Gedanke, aber er war wirklich da.
    »Und warum?« erkundigte sich Vanderdecker.
    »Das liegt doch wohl auf der Hand«, sagte Jane. Aber sie war nicht mit dem Herzen bei der Sache, denn sie spürte, daß sie kurz vor einem Lachkrampf stand, der wellenartig in ihr emporstieg. Ihr Körper war anscheinend nicht groß und kräftig genug, um das Lachen zu unterdrücken.
    Unterdessen hatte Vanderdecker weitergeredet und fragte gerade: »Sprechen wir überhaupt von derselben Sache? Klar, ich erinnre mich, mit den Fuggern eine Police abgeschlossen zu haben, aber das war vor Jahren. Vor Hunderten von Jahren sogar, um genau zu sein. Außerdem hab ich seit Jahrhunderten keine Versicherungsprämie gezahlt. Ich meine, worum geht es überhaupt?«
    »Aber Sie haben die Police doch noch, oder?« Jane spürte, wie ihr der Lachkrampf nun springflutartig gegen die Zähne schlug, aber noch konnte sie sich das Lachen verbeißen.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Vanderdecker. »In solchen Dingen bin ich ein hoffnungsloser Fall. Aber warten Sie mal.« Er hielt inne und griff in seine Manteltasche. »Normalerweise stecke ich wichtige Dokumente hier rein«, murmelte er und holte einen großen Robbenfellumschlag hervor. »Nach dieser ganzen Zeit besitze ich zwar nicht mehr sämtliche wichtigen Dokumente, aber sehen wir mal nach.« Er klappte den Umschlag auf und wühlte darin herum. »Was haben wir denn da? Alchimistische Notizen, das ist es nicht. Geburtsurkunde, Paß, die Quittung für meinen elektrischen Rasierapparat, ein Streichholzheftchen aus dem Maxim’s. Was ist das?« Er beäugte neugierig einen zerknitterten gelben Fetzen Papier. »Nein, das ist es nicht. Ah, aber hier. Ich glaube, wir haben Glück. Ist es das?« Er fischte ein gefaltetes Blatt Pergamentpapier heraus, an dem die Überreste eines zerbröselten Siegels hafteten.
    »Das weiß ich nicht«, gestand Jane ein. »Ich kann es nicht lesen.«
    »Ach, wirklich?« Vanderdecker betrachtete die winzige unleserliche Schrift aus dem sechzehnten Jahrhundert. »Kein Wunder, daß Sie es nicht lesen können, das ist Latein. Aber wenigstens ist es das richtige Dokument. Ist es wichtig?«
    »Haben Sie es schon mal gelesen?« fragte

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